News Release

„Natura 2000“ könnte noch wesentlich besser zum Naturschutz beitragen

Forscher legen Ergebnisse aus großem EU-Projekt vor

Peer-Reviewed Publication

Helmholtz Centre for Environmental Research - UFZ

Dartmoor, England

image: This image shows meadows and pastures in Dartmoor in England. view more 

Credit: André Künzelmann / UFZ

Diese Pressemitteilung ist verfügbar auf Englisch.

Leipzig. Europas Schutzgebiete wirken sich insgesamt positiv auf den Erhalt der biologischen Vielfalt aus, sind aber nicht für alle Arten effektiv. Nachbesserungsbedarf bestehe vor allem für Arten, denen es schwerer fällt, sich auszubreiten, schreibt ein internationales Forscherteam unter Leitung des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) im Abschlussbericht des EU-Projektes SCALES. So sei es für viele Vogelarten kein Problem, zwischen den Schutzgebieten zu wandern, für viele Amphibienarten können dagegen Straßen kaum zu überwindende Barrieren sein. Die Wissenschaftler empfehlen daher, auch in den Bereichen zwischen den Schutzgebieten Mindeststandards für den Naturschutz einzuhalten, die die Agrar- oder Holzproduktion nicht beeinträchtigen, aber die Verbindungen zwischen den geschützten Gebieten verbessern würden. Ohne großen Aufwand könne so viel für den Naturschutz getan werden.

Faktoren, die die biologische Vielfalt beeinflussen, wirken auf unterschiedlichen Ebenen. Ein großes EU-Projekt hat daher die Skalierung solcher Faktoren untersucht und besonders das europäische Naturschutznetzwerk „Natura 2000" genauer unter die Lupe genommen. Mit über 26.000 Gebieten an Land und rund 17,5 Prozent der Landfläche der EU ist „Natura 2000" inzwischen das größte Naturschutz-Netzwerk der Welt. Allerdings mangelt es vor allem an funktionierenden Verbindungen zwischen den einzelnen Schutzgebieten, damit seltene Arten zwischen den einzelnen Schutzgebieten wandern können und so die Populationen langfristig genetisch stabil bleiben können. „Die Etablierung von „Natura 2000" als ein großskaliges politisch-ökologisches Netzwerk ist zwar ein großer Schritt zum Schutz der Artenvielfalt in Europa, jedoch sind weitere Schritte erforderlich. In den nächsten Jahren sollte ein Schwerpunkt auf der räumlichen Anordnung der Schutzgebiete und der ungeschützten Flächen dazwischen liegen, um diese so zu managen, dass sie die notwendige Ausbreitung der Organismen ermöglichen", fasst Prof. Klaus Henle vom UFZ die Ergebnisse zusammen. Aus Sicht der Wissenschaftler könnten von diesen Vorschlägen sowohl der Naturschutz als auch die Wirtschaft profitieren: Für bedrohte Tier- und Pflanzenarten sind natürliche Strukturen wie Hecken oder Feldraine wichtig, um Agrarlandschaften durchwandern zu können. Diese Strukturen helfen aber gleichzeitig auch gegen die Erosion des Bodens oder sind Lebensräume für Insekten, die als Bestäuber dafür sorgen, den Ertrag auf den Landwirtschaftsflächen zu erhöhen.

Die Untersuchungen brachten neue Erkenntnisse, die für die Naturschutzverantwortlichen von großem Nutzen sein können wie beispielsweise: Größere Schutzgebiete brauchen mehr Verbindungskorridore als kleinere. Es ist effektiver, kleinere Schutzgebiete mit einem großen Schutzgebiet zu verbinden als kleinere Schutzgebiete untereinander. Langfristig besonders von Bedeutung werden Verbindungen sein, die es Arten ermöglichen, über größere Entfernungen zu wandern und so der Verschiebung von Lebensräumen durch den Klimawandel folgen zu können.

Im Rahmen des Projektes entstand eine Datenbank mit Informationen darüber, wie sich einzelne Arten ausbreiten. Diese Informationen könnten später helfen, den Schutz einzelner Arten besser zu managen. „Tierarten, die großräumig agieren wie der Weißstorch oder der Wolf sollten mindestens länderübergreifend, am besten sogar international gemanagt werden. Tierarten, die weniger weit wandern, wie zum Beispiel der Feldhase oder der Laubfrosch, können dagegen auf Ebene der Bundesländer besser geschützt werden", erklärt Dr. Reinhard Klenke vom UFZ. Aus Sicht der Forscher ist es wichtig, beim Management von Arten auch auf die räumlichen Strukturen einzugehen. So unterscheiden sich die Bedürfnisse der Agrarförderung im ehemaligen Westen und Osten Deutschlands aufgrund der unterschiedlichen Feldgrößen. Gleiches gelte auch für den Naturschutz.

Um außerdem die finanziellen Barrieren zu überwinden, die die unterschiedliche Verteilung von Kompetenzen zwischen den verschiedenen Gebietskörperschaften hervorgebracht hat, haben die Wissenschaftler bestehende Ansätze (Portugal, Frankreich) und neue Vorschläge (Deutschland, Polen) für einen ökologischen kommunalen Finanzausgleich untersucht. Hintergrund dieser Idee ist, dass viele Kommunen durch Naturschutz zwar Leistungen für übergeordnete Ebenen und andere Kommunen in der Nachbarschaft erbringen – zum Beispiel als Erholungsgebiet für eine Großstadt – dies aber im momentanen Finanzausgleichssystem selten honoriert wird. „Anhand von Portugal konnten wir zeigen, dass die Berücksichtigung von Natura 2000 und anderen Schutzgebieten im kommunalen Finanzausgleich gerade in ländlichen Gemeinden mit hohen Schutzgebietsanteilen beträchtlich zum kommunalen Haushalt beitragen kann: So gingen im Jahr 2008, ein Jahr nach der Einführung des Ökofinanzausgleichs in Portugal, bis zu 34 Prozent der kommunalen Einnahmen auf Naturschutzgebiete zurück", berichtet Dr. Irene Ring vom UFZ. Vorschläge, wie diese Idee auch in Deutschland zum Schutz der Natur helfen könnte, sind für den kommunalen Finanzausgleich im Freistaat Sachsen und für den Länderfinanzausgleich bereits durchgerechnet worden.

Das EU-Projekt SCALES (Securing the Conservation of biodiversity across Administrative Levels and spatial, temporal, and Ecological Scales) zählte mit knapp zehn Millionen Euro Gesamtbudget und fünf Jahren Laufzeit zu den größten Forschungsprojekten Europas auf dem Gebiet der biologischen Vielfalt. Regionale Fallstudien wurden dabei in Großbritannien, Finnland, Polen, Frankreich und Griechenland erstellt. Am SCALES-Projekt waren insgesamt 31 Institutionen aus verschiedenen europäischen Ländern sowie Australien und Taiwan beteiligt. Koordiniert wurde das Projekt vom UFZ in Leipzig. Neben zahlreichen wissenschaftlichen Publikationen, die im Rahmen des Projektes veröffentlicht wurden, erschien nun auch im Pensoft-Verlag ein Buch: „Scaling in Ecology and Biodiversity Conservation".

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Publikation

Buchcover SCALES

Henle K, Potts S, Kunin W, Matsinos Y, Simila J, Pantis J, Grobelnik V, Penev L, Settele J (2014):

Scaling in Ecology and Biodiversity Conservation. Pensoft, Advanced Books: e1169. doi: 10.3897/ab.e1169

http://dx.doi.org/10.3897/ab.e1169

http://ab.pensoft.net/articles.php?id=1169

Schröter-Schlaack, C., Ring, I., Koellner, T., Santos, R., Antunes, P., Clemente, P., Mathevet, R., Borie, M., Grodzińska-Jurczak, M. (2014): 1Intergovernmental fiscal transfers to support local conservation action in Europe. Zeitschrift für Wirtschaftsgeographie 58. Themenheft 2-3 "The economics of protected areas – a European perspective", p. 98-114

http://www.wirtschaftsgeographie.com/archiv/download/read/06-2014.pdf

Weitere Informationen

Prof. Dr. Klaus Henle/ Dr. Reinhard Klenke/ PD Dr. Irene Ring
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Telefon: 0341-235-1270, -1651, -1741

Prof. Dr. Klaus Henle

Dr. Reinhard Klenke

PD Dr. Irene Ring

Pressekontakt

Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung

Susanne Hufe, Tilo Arnhold (UFZ-Pressestelle)
Telefon: +49-(0)341-235-1635, -1630

Weiterführende Links

2EU-Projekt SCALES (Securing the Conservation of biodiversity across Administrative Levels and spatial, temporal, and Ecological Scales) http://www.scales-project.net

Interaktives SCALETOOL http://scales.ckff.si/scaletool/

Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) erforschen Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden Veränderungen der Umwelt. Sie befassen sich mit Wasserressourcen, biologischer Vielfalt, den Folgen des Klimawandels und Anpassungsmöglichkeiten, Umwelt- und Biotechnologien, Bioenergie, dem Verhalten von Chemikalien in der Umwelt, ihrer Wirkung auf die Gesundheit, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Ihr Leitmotiv: Unsere Forschung dient der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen und hilft, diese Lebensgrundlagen unter dem Einfluss des globalen Wandels langfristig zu sichern. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg über 1.100 Mitarbeiter. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert.

Die Helmholtz-Gemeinschaft leistet Beiträge zur Lösung großer und drängender Fragen von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft durch wissenschaftliche Spitzenleistungen in sechs Forschungsbereichen: Energie, Erde und Umwelt, Gesundheit, Schlüsseltechnologien, Struktur der Materie, Verkehr und Weltraum. Die Helmholtz-Gemeinschaft ist mit fast 36.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in 18 Forschungszentren und einem Jahresbudget von rund 3,8 Milliarden Euro die größte Wissenschaftsorganisation Deutschlands. Ihre Arbeit steht in der Tradition des Naturforschers Hermann von Helmholtz (1821-1894).


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