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Enge Becken, große Köpfe und die schwierige Geburt beim Menschen

Beim Menschen besteht ein komplexer Zusammenhang zwischen Becken, Kopf- und Körpergröße, der evolutionär entstanden ist, um die Geburt zu vereinfachen

Peer-Reviewed Publication

University of Vienna

Skull

image: The skull of a newborn must fit through the female pelvis at birth -- it has to be as big as the diameter of the birth canal. view more 

Credit: Copyright: Magdalena Fischer

Diese Pressemitteilung ist verfügbar auf Englisch.

Unter dem menschlichen "Geburtsdilemma" versteht man die Tatsache, dass die Köpfe von Neugeborenen im Verhältnis zum engen Geburtskanal des weiblichen Beckens sehr groß sind. Dieser Umstand macht den Geburtsvorgang langsam und schwierig - viel schwieriger als bei den meisten anderen Primatenarten. Barbara Fischer und Philipp Mitteröcker (Department für Theoretische Biologie der Universität Wien und CEES, Department of Biosciences, Universität Oslo) konnten nun zeigen, dass es bislang unbekannte Anpassungen in unserem Körperbau gibt, die das Geburtsdilemma erleichtern. Dazu publizieren die ForscherInnen in der renommierten Fachzeitschrift "PNAS".

Aufrechter Gang und eine schwierige Geburt

Als im Lauf der Hominidenevolution vor 4-5 Millionen Jahren der aufrechte Gang entstand, veränderte sich auch die Form des menschlichen Beckens. Erst nachdem der aufrechte Gang lange etabliert war, nahmen die Gehirne nach und nach an Volumen zu.

Damit wurden auch die Köpfe der Neugeborenen größer. Diese wachsenden Köpfe mussten aber durch ein enges Becken hindurch geboren werden, das bereits an den aufrechten Gang angepasst war. Darin liegt die Ursache dieser platzmäßigen Engstelle bei der Geburt, mit der wir heute zurechtkommen müssen und die schwerwiegende Konsequenzen haben kann: Die Mortalität von Frauen in Entwicklungsländern, die bei der Geburt keinen entsprechenden Zugang zu medizinischer Versorgung haben und wo keine Kaiserschnitte durchgeführt werden können, ist nach wie vor sehr hoch.

Analyse von 3D Daten

Barbara Fischer, Evolutionsbiologin an der Universität Wien und an der Universität Oslo, hatte die Idee, die Auswirkungen dieser andauernden starken Selektion durch die Geburt auf den menschlichen Körperbau näher zu untersuchen. Zusammen mit Philipp Mitteröcker, Anthropologe an der Universität Wien, analysierte sie 3D Daten des menschlichen Beckens. Mithilfe dieser Daten konnten Fischer und Mitteröcker eine komplexe Verbindung zwischen der Gestalt des Beckens, der Körpergröße und dem Kopfumfang identifizieren, die dazu beiträgt, das Geburtsdilemma zu verbessern. Die Dimensionen von Kopf und Körpergröße variieren laut diesen Ergebnissen nicht unabhängig von der Gestalt des Beckens der Frauen, sondern sind damit verknüpft.

Kopf und Körpergröße

Da die Größe des menschlichen Kopfes zu einem sehr hohen Anteil genetisch bestimmt und daher erblich ist, bringen Frauen mit großen Köpfen tendenziell Neugeborene mit großen Köpfen zur Welt. "Wir fanden heraus, dass Frauen mit großen Köpfen einen Geburtskanal besitzen, der so geformt ist, dass ihn Neugeborene mit großen Köpfen leichter passieren können", erklärt Barbara Fischer: Das Kreuzbein ist bei diesen Frauen kürzer und lässt mehr Platz im Geburtskanal, was offensichtlich für die Geburt von Vorteil ist.

Aus der gynäkologischen Literatur ist bekannt, dass kleine Frauen im Vergleich zu großen Frauen im Durchschnitt schwierigere Geburten haben und ein höheres Risiko tragen, dass der Fötus bei der Geburt nicht durch den Geburtskanal passt. In ihrer Studie zeigen Fischer und Mitteröcker, dass kleine Frauen außerdem einen runderen Geburtskanal besitzen als große Frauen - eine Anpassung an den stärkeren Selektionsdruck, dem kleine Frauen ausgesetzt sind.

Trotz der identifizierten Muster stellen die Autoren klar, dass das individuelle Risiko für eine schwierige Geburt neben genetischen Faktoren von diversen Umweltfaktoren abhängt.

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Publikation in PNAS

Covariation between human pelvis shape, stature, and head size alleviates the obstetric dilemma Fischer B., Mitteroecker P. 2015 PNAS am 20. April. 2015. doi:10.1073/pnas.1420325112


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