News Release

Altes Schulbuchwissen neu bestätigt: Zerfallsraten radioaktiver Stoffe sind konstant

PTB-Forscher widerlegen die These, dass die Zerfallsrate manch radioaktiver Nuklide vom Abstand zwischen Erde und Sonne abhängt

Peer-Reviewed Publication

Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB)

Measurements of Decay for Chlorine Isotope 36Cl

image: Between 2009 and 2013, scientists of the Physikalisch-Technische Bundesanstalt and of Ohio State University measured -- with a time delay -- the standardized activity, i.e. the radioactive decay, of 36chlorine. Whereas the American measurement results vary periodically, this is not the case with the PTB values. The blue curve illustrates the distance between the Earth and the Sun (presented as the reciprocal square of the distance in the astronomic unit AE). view more 

Credit: PTB

Diese Pressemitteilung ist verfügbar auf Englisch.

Der Abstand zwischen Erde und Sonne hat keinen Einfluss auf die Zerfallsrate von radioaktivem Chlor. "Wieso sollte er auch?", könnte man fragen, denn bekanntlich ist der Zerfall von Radionukliden verlässlich wie eine Schweizer Uhr. Doch US-amerikanische Wissenschaftler hatten kürzlich für Aufsehen gesorgt, als sie postulierten, die Zerfallsrate würde vom Fluss solarer Neutrinos und damit auch vom Abstand der Erde zur Sonne abhängen. Grundlage ihrer Vermutung waren unter anderem ältere Messdaten aus der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB). Deren Forscher haben die These der Amerikaner nun eindeutig widerlegt.

Die Halbwertszeit radioaktiver Isotope, also der Zeitraum, in dem die Hälfte aller Atomkerne zerfallen ist, gilt als unveränderlich stabil. Beim Kohlenstoff-Isotop 14C sind das beispielsweise 5700 Jahre. Man nutzt diese Eigenschaft unter anderem bei der Datierung archäologischer Funde. Als eine Gruppe US-amerikanischer Wissenschaftler kürzlich Messdaten des radioaktiven Isotops 36Cl veröffentlichte, die jahreszeitliche Schwankungen aufwiesen, und dies mit dem Einfluss solarer Neutrinos erklärten, war die Aufregung groß. Umso mehr, da Neutrinos von der Sonne zwar in jeder Sekunde in milliardenfacher Zahl auf jeden Quadratzentimeter der Erde treffen, dabei aber fast wirkungslos bleiben - sie durchdringen die Erde, als wäre sie gar nicht da.

Wissenschaftler der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt haben nun nachgemessen und ihre Ergebnisse in der Zeitschrift Astroparticle Physics veröffentlicht. Drei Jahre lang überprüften sie die Aktivität von Proben mit 36Cl, um mögliche jahreszeitliche Abhängigkeiten zu erkennen. Während die US-Amerikaner die Zählraten mit Gasdetektoren bestimmt hatten, nutzte die PTB die sogenannte TDCR-Flüssigszintillationsmethode, die störende Einflüsse auf die Messungen weitestgehend kompensiert. Das Ergebnis: Die Messergebnisse der PTB schwanken deutlich weniger und ergeben keinen Hinweis auf eine jahreszeitliche Abhängigkeit bzw. die Einwirkung solarer Neutrinos. "Wir gehen davon aus, dass andere Einflüsse viel wahrscheinlicher für die beobachteten Schwankungen sind", erklärt PTB-Physiker Karsten Kossert. "Es ist bekannt, dass Änderungen der Luftfeuchte, des Luftdrucks und der Temperatur empfindliche Detektoren durchaus beeinflussen können."

Mittlerweile sind die Daten einer weiteren Messreihe – diesmal für das Strontium-Isotop 90Sr – ausgewertet und zur Veröffentlichung eingereicht worden, und auch hier zeigen selbst aufwendige Analysemethoden keinen Hinweis auf jahreszeitliche Schwankungen. Man kann somit davon ausgehen, dass es den Einfluss von solaren Neutrinos – zumindest in der postulierten Größenordnung – auf den radioaktiven Zerfall nicht gibt.

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Ansprechpartner

Dr. Karsten Kossert,
PTB-Arbeitsgruppe 6.11 Aktivitätseinheit,
Telefon: (0531) 592-6110,
E-Mail: karsten.kossert@ptb.de

Originalveröffentlichungen

Karsten Kossert, Ole J. Nähle: Long-term measurements of 36Cl to investigate potential solar influence on the decay rate. Astroparticle Physics 55 (2014) 33-36 Karsten Kossert, Ole J. Nähle: Disproof of solar influence on the decay rates of 90Sr/90Y. Zu finden unter arXiv:1407.2493 [nucl-ex], Preprint J.H. Jenkins et al.: Additional experimental evidence for a solar influence on nuclear decay rates. Astroparticle Physics 37 (2012) 81-88


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