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Hochfrequente Molekülschwingungen leiten Elektronenbewegung ein

Forschende beobachten die allerersten Schritte einer ultraschnellen Ladungsverschiebung in Farbstoffmolekülen für Solarzellen

Peer-Reviewed Publication

University of Oldenburg

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Physicists Antonietta De Sio (right) and Somayeh Souri are preparing their experiment based on femtosecond laser pulses.

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Credit: University of Oldenburg / Marcus Windus

Ob in Solarzellen oder im menschlichen Auge: Absorbieren bestimmte Moleküle Licht, werden Elektronen aus ihrem Grundzustand in einen energiereicheren, angeregten Zustand versetzt. Es kommt zum Transport von Energie und Ladung – der zunächst zu einer Ladungstrennung und dann zur Stromerzeugung führt. Wie die allerersten Momente dieses Prozesses ablaufen, hat ein internationales Forschungsteam um Dr. Antonietta De Sio und Prof. Dr. Christoph Lienau aus der Arbeitsgruppe Ultraschnelle Nano-Optik der Universität Oldenburg nun in einem komplexen Farbstoffmolekül im Detail beobachtet. Wie die Forschenden im Fachmagazin Nature Chemistry berichten, spielen schnelle Schwingungen der Atomkerne innerhalb des Moleküls für die lichtinduzierte Ladungsverschiebung eine zentrale Rolle. Die Kräfte, die diese Schwingungen auf die Elektronen ausüben, leiten den Ladungstransport ein. Prozesse im umgebenden Lösungsmittel, die bisher als Ursache angenommen wurden, setzen erst zu einem späteren Zeitpunkt ein. „Unsere Ergebnisse liefern neue Einblicke, um den Ladungstransport etwa in organischen Solarzellen besser zu verstehen, und könnten dazu beitragen, effizientere Materialien zu entwickeln“, betont De Sio.

Der untersuchte Farbstoff wurde von Forschenden um Prof. Dr. Peter Bäuerle von der Universität Ulm synthetisiert. Er bildet den Grundbaustein eines Kunststoffs, der in organischen Solarzellen zur Umwandlung von Sonnenlicht in Strom verwendet wird. „Die Moleküle bestehen aus jeweils drei Teilen – einem zentralen Baustein und zwei identischen Gruppen, die sich rechts und links davon befinden“, erläutert De Sio. Bei dem zentralen Teil des Moleküls handelt es sich um einen Elektronendonor, ein Material, das leicht Elektronen abgibt. Die beiden äußeren Gruppen können angeregte Elektronen hingegen aufnehmen, sie werden auch Elektronenakzeptoren genannt. Ein durch Licht angeregtes Elektron kann sich also theoretisch sowohl nach rechts als auch nach links zu einem der beiden Akzeptoren bewegen. Dieser Prozess wird als Symmetriebrechung im angeregten Zustand bezeichnet. Das hat zur Folge, dass sich die Farbe des Lichts, das vom Molekül emittiert wird, typischerweise von Blau nach Rot verschiebt. Dieser Effekt ist als Solvatochromie bekannt. Bislang war weitgehend unbekannt, welcher mikroskopische Mechanismus die anfängliche Symmetriebrechung auslöst.

Genau diesen Prozess untersuchte das Team genauer. In ihren Experimenten versetzten die Doktorandinnen Katrin Winte und Somayeh Souri die Farbstoffmoleküle mit nur wenige Femtosekunden langen Laserimpulsen in einen angeregten Zustand. So konnten sie beobachten, wie sich Elektronen und Kerne in den ersten tausend Femtosekunden nach der Lichtanregung bewegen. Eine Femtosekunde entspricht dem Millionstel einer Milliardstel Sekunde.

Das Ergebnis: Ein Laserimpuls regte innerhalb der ersten 50 Femtosekunden schnelle Schwingungen zwischen den Atomen des Farbstoffmoleküls an. „Die Kohlenstoffatome im Molekül beginnen zu vibrieren“, erläutert De Sio. Diese Schwingungen verändern die Energiezustände innerhalb des Moleküls, wodurch sich für das angeregte Elektron eine bevorzugte Bewegungsrichtung ergibt. Die Moleküle des Lösungsmittels hingegen sind in dieser Zeit noch wie „eingefroren“, berichtet das Team. Erst nach mehreren hundert Femtosekunden richten auch sie sich neu aus und stabilisieren dadurch den neuen Zustand des Moleküls, was zu der bekannten Farbverschiebung des Moleküls führt.

Um diese unerwarteten Resultate zu bestätigen, führten die Forschenden das Experiment zusätzlich mit einem anderen Lösungsmittel durch, bei dem die Solvatochromie – also die Wechselwirkung zwischen Farbstoff und Lösungsmittel – nicht auftritt. Auch dort konnten sie jedoch die anfänglichen Schwingungen beobachten. Quantenchemische Rechnungen des Los Alamos National Laboratory in den USA und der Universität Bremen bestätigten die experimentellen Ergebnisse.

„Unsere Studie liefert überzeugende Beweise dafür, dass bestimmte hochfrequente Schwingungsbewegungen innerhalb des Moleküls die ultraschnelle Ladungsverschiebung auslösen und nicht Wechselwirkungen mit dem Lösungsmittel“, betont Lienau. Dieser Mechanismus könne auch in festen Materialien und Nanostrukturen eine Rolle spielen. „Für technologische Anwendungen ist es entscheidend, die Interaktion von Ladungsträgern mit solchen molekularen Schwingungen und mit der Umgebung kontrollieren zu können“, ergänzt De Sio. Die Ergebnisse könnten daher nicht nur das Verständnis des Ladungstransports auf der Nanoskala voranbringen, sondern auch bei der Entwicklung neuer, lichtempfindlicher Materialien von Nutzen sein.


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