image: Die Ausgrabungen in der Toda-Höhle im Jahr 2019. view more
Credit: Robert Spengler
Der Beginn der Landwirtschaft im Neolithikum war eine wichtige Entwicklung in der Evolution der modernen menschlichen Kultur. Zwar sind sich Forschende einig, dass sich die Landwirtschaft weltweit mehrfach unabhängig voneinander entwickelt hat, unter anderem in Afrika, Amerika und Ostasien, jedoch lassen sich die Ursprünge vieler wichtiger Nutzpflanzen wie Weizen, Gerste und Hülsenfrüchte auf den Fruchtbaren Halbmond und die Ernte von Wildgetreide durch ein Volk namens Natufianer vor etwa 10.000 Jahren zurückverfolgen.
Eine neue Studie eines interdisziplinären Forschungsteams zeigt jedoch, dass bereits vor mindestens 9.200 Jahren Menschen auf der nördlichen und östlichen Höhe von Südusbekistan wilde Gerste mit Sichelklingen ernteten. Die Studie belegt, dass die kulturellen Entwicklungen, die als Sprungbrett für die Landwirtschaft dienten, weiter verbreitet waren als bisher angenommen. Damit wird die These infrage gestellt, dass der Ackerbau als Reaktion einer Gruppe auf Bevölkerungsdruck oder Klimawandel begann.
Die Forschung wurde von einem internationalen Team unter der Leitung von Xinying Zhou vom Institut für Wirbeltierpaläontologie und Paläoanthropologie in Peking und unter der Aufsicht von Farhad Maksudov, dem Direktor des Instituts für Archäologie in Samarkand, durchgeführt. Während der Ausgrabungen in der Toda-Höhle im Tal von Surkhandarya im Süden Usbekistans entdeckte das Team Steinwerkzeuge, Holzkohle und Pflanzenreste aus den ältesten Schichten der Höhle.
Archäobotanische Untersuchungen, die von Robert Spengler vom Max-Planck-Institut für Geoanthropologie geleitet wurden, ergaben, dass die Bewohner:innen der Toda-Höhle wilde Gerste aus den umliegenden Tälern sammelten. Weitere Pflanzenreste waren wilde Pistazienschalen und Apfelkerne. Die Gebrauchsspuren an den Steinwerkzeugen – Klingen und Splitter, die größtenteils aus Kalkstein bestehen – deuten darauf hin, dass sie zum Schneiden von Gras oder Pflanzenmaterial genutzt wurden. Ähnliche Funde sind aus Gebieten bekannt, in denen bekanntermaßen Landwirtschaft betrieben wurde.
„Diese Entdeckung dürfte die Sichtweise der Forschenden auf den Übergang vom Sammeln zum Ackerbau verändern, da sie zeigt, wie weit verbreitet diese sich verändernden Verhaltensweisen waren”, sagt Xinying.
„Diese frühen Jäger und Sammler waren bereits mit den kulturellen Praktiken verbunden, die zu den Ursprüngen der Landwirtschaft führten”, ergänzt Spengler. „Immer mehr Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass die Domestizierung ohne bewusste Absicht des Menschen erfolgte. Die Entdeckung, dass die Menschen kontinuierlich Verhaltensweisen entwickelten, die zur Landwirtschaft führten, stützt diese Ansicht.“
Das Forschungsteam wird weiter untersuchen, wie verbreitet diese Verhaltensweisen in Zentralasien während dieser Zeitspanne waren. Darüber hinaus untersucht das Team die Möglichkeit, dass diese Getreidekörner ein frühes Beispiel der Kultivierung morphologisch wilder Gerste darstellen. Wenn die Körner angebaut wurden, könnte dies bedeuten, dass mit einer separaten Herkunft der Landwirtschaft experimentiert wurde oder dass sich die Tradition aus dem Fruchtbaren Halbmond viel früher als bisher angenommen nach Osten ausdehnte. In beiden Fällen dürften zukünftige Untersuchungen voraussichtlich viele Lücken in unserem Verständnis der Menschheitsgeschichte schließen.
Journal
Proceedings of the National Academy of Sciences
Article Title
9,000-year-old barley consumption from hill flank of Central Asia
Article Publication Date
25-Aug-2025