image: Abbildung 1: Schema des experimentellen Aufbaus. Ein Ensemble von C60-„Fußball“-Molekülen wird durch einen Infrarot-Laserpuls angeregt und ionisiert und durch einen Röntgenpuls vom Freie-Elektronen-Laser (FEL) LCLS am SLAC in Stanford abgebildet. Die experimentellen Röntgenstreuungsmuster sind für verschiedene Verzögerungen Δt dargestellt.
Credit: Bildnachweis: PSI, MPI-PKS
Das Verständnis komplexer Vielteilchendynamik in lasergetriebenen polyatomaren Molekülen ist entscheidend für jeden Versuch, chemische Reaktionen mit Hilfe intensiver Lichtfelder zu steuern. Ultrakurze und intensive Röntgenpulse von beschleunigergestützten Freie-Elektronen-Lasern (FEL) eröffnen nun die Möglichkeit, die starke Verformung von Molekülen durch Laserfelder direkt zu beobachten.
Ein Prototypmolekül, das berühmte fußballförmige „Buckminsterfulleren“ C60, wurde von Physikern zweier Max-Planck-Institute, dem Institut für Kernphysik (MPIK) in Heidelberg und dem Institut für Physik komplexer Systeme (MPI-PKS) in Dresden, in Zusammenarbeit mit Gruppen des Max-Born-Instituts (MBI) in Berlin und anderen Institutionen aus der Schweiz, den USA und Japan experimentell und theoretisch untersucht. Mit dem an der Linac Coherent Light Source (LCLS) des SLAC National Accelerator Laboratory durchgeführten Experiment konnte zum ersten Mal die von einem starken Laser angetriebene molekulare Dynamik in C60 direkt abgebildet werden.
Aus der Analyse des Röntgenbeugungsmusters der zeitabhängigen Reaktion des Moleküls auf einen starken Infrarot (IR)-Laserpuls lassen sich zwei Parameter extrahieren: Der (mittlere) Radius R des Moleküls und die sogenannte Guinier-Amplitude A. Letztere ist ein Maß für die Stärke des gestreuten Röntgensignals. Sie ist proportional zu N2, der quadrierten (effektiven) Anzahl der Atome im Molekül, die als Streuzentren wirken. Während R direkt mit der Ausdehnung oder Verformung des Moleküls und seiner Bruchstücke zusammenhängt, enthält A Informationen über die Art und Weise des Zerbrechens, insbesondere die Größenverteilung der Fragmente.
Abbildung 2 zeigt die Ergebnisse für Bereiche von „niedrigen“ (1×1014 W/cm2) über „mittlere“ (2×1014 W/cm2) bis zu „hohen“ (8×1014 W/cm2) Laserintensitäten. Die Parameter R und A sind relativ zu den Werten für negative Verzögerungen angegeben, bei denen der Röntgenpuls vor dem IR-Puls eintrifft und ein intaktes C60 abbildet. Die am MPI-PKS in Dresden durchgeführte Modellrechnung für die zeitliche Entwicklung des Moleküls (Expansion, Deformation, Fragmentierung) ist in den Filmen für die verschiedenen Intensitäten zu sehen. Die aus dem Molekül herausgelösten und durch das Laserfeld angetriebenen Elektronen sind hier als kleine blaue Kugeln dargestellt. Beispielhafte Standbilder zeigt der obere Teil der Abbildung 2.
Bei niedrigen Intensitäten dehnt sich das Molekül aus, bevor die Fragmentierung einsetzt, was sich an der verzögerten und moderaten Abnahme der Guinier-Amplitude zeigt. Bei mittleren Intensitäten folgt auf die Ausdehnung des mit Röntgenstrahlen abgebildeten Radius eine Abnahme. Diese Signatur der Streuung an kleinen Fragmenten passt zum leicht verzögerten Abfall der Guinier-Amplitude, der anzeigt, dass ein großer Teil der Moleküle bereits zerbrochen ist.
Bei der höchsten Intensität setzt bereits in der ansteigenden Flanke des starken Laserpulses eine schnelle Expansion bei gleichzeitig abnehmender Guinier-Amplitude ein: Es werden hier praktisch alle äußeren (also chemisch bindenden) Valenzelektronen entfernt. Diese Folge des heftigen „Kicks“ durch den Laser wird auch durch die Modellrechnungen reproduziert.
Bei niedrigen und mittleren Intensitäten gibt es jedoch nur eine gewisse qualitative Übereinstimmung mit dem Experiment. Insbesondere sagt das Modell ein oszillierendes Verhalten sowohl im Radius als auch in der Amplitude voraus, verursacht durch ein periodisches „Atmen“ des Moleküls (siehe Filme), das in den beobachteten Daten völlig fehlt. Die Implementierung eines zusätzlichen ultraschnellen Heizmechanismus, der auf die atomaren Positionen im Molekül einwirkt, führte zu einer besseren Übereinstimmung mit dem Experiment, was zeigt, dass weitere Arbeiten, sowohl experimentell als auch theoretisch, notwendig sind, um die Wechselwirkungen von intensiven Lasern mit Materie besser zu verstehen und schließlich zu steuern.
Die durch intensive Laserfelder angetriebene Mehrelektronendynamik stellt immer noch eine Herausforderung für die theoretische Beschreibung dar, da eine vollständige quantenmechanische Behandlung derzeit unerreichbar ist. Daher sind Röntgenfilme der Strukturdynamik wie dieser in C60 ein idealer Prüfstein für das Verständnis grundlegender Quantenprozesse in molekularen Systemen von zunehmender Größe und Komplexität, die unseren Weg zur Kontrolle chemischer Reaktionen mit Laserfeldern erhellen.
Journal
Science Advances
Article Title
Visualizing the strong-field induced molecular break-up of C60 via X-ray diffraction
Article Publication Date
21-Nov-2025