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Elfmeter halten: Wie die Wissenschaft hilft, das Ergebnis vorherzusagen

Forscher schlagen ein neues Modell vor, um zu erklären, wie ein Torhüter beim Elfmeterschießen zur richtigen Zeit in die richtige Ecke springt

Peer-Reviewed Publication

Springer

Haben Sie sich schon einmal gefragt, wie sich Weltklasse-Torhüter wie Manuel Neuer oder Gianluigi Buffon bei einem Elfmeterschießen für die richtige Ecke entscheiden? Dann sind Sie nicht alleine. Seit dem ersten Elfmeterschießen im Jahr 1891 haben sich Experten, Trainer und Fans mit der Frage beschäftigt, warum manche Torhüter Elfmeter erfolgreich halten und andere nicht. Ein neuer Review-Artikel belegt nun, dass es nicht ausreicht zu wissen, in welche Ecke man springen muss. Torhüter müssen eben auch zum richtigen Zeitpunkt die richtige Ecke auswählen. Die Studie wurde von John van der Kamp von der Vrije Universiteit Amsterdam in den Niederlanden geleitet und ist im Rahmen einer Sonderausgabe zum Thema Fußball der Springer-Zeitschrift German Journal of Exercise and Sport Research erschienen.

Normalerweise ist die Zeit, die ein Torhüter benötigt, um bei einem Elfmeterschießen in die richtige Ecke eines Tors zu gelangen, kürzer als die Zeit, die er tatsächlich zur Verfügung hat. Ein Torwart, der auf einen Elfmeterschützen wartet, hat, nachdem der Ball geschossen wurde, nur eine halbe Sekunde Zeit, um zu entscheiden, in welche Ecke des Tors er springt. In der Regel braucht der Torhüter etwa 0,6 Sekunden, um dorthin zu gelangen, und sogar eine volle Sekunde, um die oberen Ecken des Tors zu erreichen. So bleibt kaum Zeit, visuelle Hinweise wie etwa die Flugbahn des Balls zu berücksichtigen.

In ihrer Studie haben van der Kamp und Kollegen ein neues Vorhersagemodell entwickelt, in dem natürlich die Richtung, vor allem aber auch der Zeitpunkt des Sprungs des Torwarts eine Rolle spielen. Das „Affordance-based Control Model" der Autoren beschreibt und bestimmt die Relationen zwischen Einflussgrößen, die dazu beitragen, dass ein Strafstoß erfolgreich gehalten werden kann. Entscheidend sind demnach Aspekte wie die laterale Geschwindigkeit, die Weite und die Explosivität eines Sprungs, skaliert nach den maximalen Fähigkeiten des Torwarts.

Laut van der Kamp und Kollegen befassten sich frühere Analysen vor allem damit, auf welche Hinweise ein Torhüter im Anlauf des Elfmeterschützen achten kann, um sich für die richtige Ecke zu entscheiden. Die meisten dieser Studien untersuchten mit speziellen Blickverfolgungsgeräten die Augenbewegungen von Torhütern, die auf im Video gezeigte Anlaufaktionen von Elfmeterschützen reagieren mussten, ohne in die entsprechende Ecke springen zu müssen. Basierend auf dieser Forschung wurde Torhütern empfohlen, beim Elfmeter vor allem auf Hinweise im Anlauf zu achten, die die Entscheidung nach rechts oder nach links zu springen erleichtern.

Weil die motorische Reaktionskomponente bislang vernachlässigt wurde, existiert kaum verwertbares Wissen über das richtige Timing der Aktionen des Torhüters. Van der Kamps Studie legt nahe, dass die Untersuchung zeitlich-räumlicher Aspekte entscheidend für weitere Forschungserfolge ist.

„Torhüter können außerdem von zusätzlichen Informationen profitieren, die Rückschlüsse darauf zulassen, ob sie früher oder später springen müssen, wenn sie einem bestimmten Spieler gegenüberstehen", fügt van der Kamp hinzu. Als Beispiel nennt er den deutschen Torhüter Jens Lehmann, dessen berühmter Spickzettel ihm nicht nur vorgab, welche Ecke seine Gegenspieler beim Elfmeter bevorzugen, sondern auch wie lange er warten sollte, bevor er springt.

„Wir denken, dass Torhüter bei einem Elfmeterschießen ihre Aktionen so gestalten sollten, dass sie sie noch möglichst spät verändern können", sagt van der Kamp. „Diese Art der Betrachtung wird zu verbesserten, individuell auf die Torhüter zugeschnittenen Trainingsmethoden führen, die im Weltklasse-Fußball schon lange Praxis sind. Wir freuen uns darauf, unser Modell mit neuen Studien und Analysen weiter zu belegen."

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Referenz: Van der Kamp, J. et al (2018). Goalkeeping in the soccer penalty kick: It is time we take affordance-based control seriously! German Journal of Exercise and Sport Research DOI: 10.1007/s12662-018-0506-3


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