News Release

Wenn Leberzirrhose tödlich wird

Internationaler Forschungsverbund bestimmt drei Verlaufsformen der „akut dekompensierten Leberzirrhose

Peer-Reviewed Publication

Goethe University Frankfurt

Unsere Leber hat viele Funktionen: Sie speichert Nährstoffe und Vitamine, produziert Traubenzucker, Gerinnungsfaktoren und Hormone und baut Giftstoffe, Medikamente und Alkohol ab. Durch chronisch starken Alkoholkonsum, durch Viren oder andere Erkrankungen kann die Leber überlastet werden und chronisch erkranken. Unbehandelt führt eine chronische Lebererkrankung im Endstadium zu einer Leberzirrhose, bei der Lebergewebe in Bindegewebe umgewandelt wird und die Leber ihre Aufgaben immer weniger erfüllen kann. Die Folgen: Die Gerinnungsfähigkeit des Bluts wird eingeschränkt, giftige Stoffwechselprodukte reichern sich an, die Leber wird nicht mehr richtig durchblutet und der Blutdruck in der die Leber versorgenden Pfortader steigt.

Der Körper versucht, die Minderfunktionen der Leber auszugleichen. So bilden sich zum Beispiel als Folge des erhöhten Pfortaderdrucks Umgehungskreisläufe durch Venen von Speiseröhre, Magen und Darm, die sich zu Krampfadern erweitern. Wenn mit fortschreitendem Krankheitsverlauf ein solcher Ausgleich irgendwann nicht mehr möglich ist - Mediziner sprechen dann von einer akuten Dekompensation der Leberzirrhose -, spitzt sich die Situation lebensbedrohlich zu: Gewebsflüssigkeit (Aszites) sammelt sich in der Bauchhöhle, es kommt zu bakteriellen Infektionen und zu inneren Blutungen etwa in der Speiseröhre. Konzentrationsschwierigkeiten, Stimmungsschwankungen oder Schläfrigkeit sind Anzeichen der Vergiftung des Gehirns (hepatische Enzephalopathie), die bis zu einem Leberkoma führen kann.

Eine europaweite klinische Studie unter der Leitung von Prof. Jonel Trebicka, die unter dem Dach der Europäischen Stiftung zur Untersuchung chronischen Leberversagens durchgeführt wurde, hat erstmals drei klinische Verlaufsvarianten von Patienten bestimmt, die mit einer akuten Dekompensation der Leberzirrhose ins Krankenhaus eingeliefert wurden.

    1. Die erste klinische Verlaufsvariante zeichnet sich durch hohe Entzündungswerte im Blut aus, die Entzündungsreaktionen überall im Körper anzeigen. Innerhalb von drei Monaten nach Einlieferung ins Krankenhaus versagen mehrere Organe des Körpers: Die akute Dekompensation wird zu einem „Akut-auf-chronischen Leberversagen" (ACLF). Daher benannten die Mediziner diese Variante als Pre-ACLF. Mehr als die Hälfte der Patienten versterben daran, nach einem Jahr lebt nur noch ein Drittel von ihnen.

    2. Die Patienten der zweiten klinischen Verlaufsvariante entwickeln kein ACLF und haben moderate Entzündungswerte, leiden aber unter einem deutlich erhöhten Pfortader-Blutdruck. Rund 20 Prozent von ihnen sterben innerhalb der folgenden drei Monate, weitere 15 Prozent innerhalb des Folgejahres. Diese Variante nannten die Mediziner „instabile dekompensierte Leberzirrhose".

    3. Keine schweren Entzündungswerte oder häufige Komplikationen zeigen Patienten der dritten klinischen Verlaufsvariante. Sie entwickeln kein ACLF in den ersten drei Monaten. Innerhalb eines Jahres verstirbt aber immer noch jeder zehnte von ihnen. Diese Variante nannten die Mediziner „stabile dekompensierte Leberzirrhose".

Studienleiter Prof. Jonel Trebicka, Gastroenterologe und Hepatologe an der Medizinischen Klinik I des Universitätsklinikums Frankfurt, erläutert: „Wir arbeiten jetzt intensiv daran, insbesondere für Gruppe der Pre-ACLF-Patienten neue diagnostische Möglichkeiten zu entwickeln, um diese Gruppe noch vor Einlieferung ins Krankenhaus identifizieren und frühzeitig Gegenmaßnahmen einleiten zu können. Die Entwicklung präventiver Therapien für die häufig tödlich verlaufende ACLF ist in diesem Zusammenhang eine unserer wichtigsten Forschungsaufgaben."

Prof. Dr. Stefan Zeuzem, Dekan des Fachbereichs Medizin sowie Direktor der Medizinischen Klinik I des Universitätsklinikums Frankfurt und Ko-Autor der Studie, erläutert: „Leberkrankheiten sind einer der Hauptschwerpunkte der Medizinischen Klinik I, und wir bieten zahlreiche Spezialambulanzen für Patientinnen und Patienten mit akuten und chronischen Lebererkrankungen an. So konnten wir einerseits Patienten für die Studie beobachten. Auf der anderen Seite kommen die Forschungsergebnisse zur Verbesserung von ACLF-Prävention und Therapien sehr rasch unseren und allen Patientinnen und Patienten zugute."

Die Forschungsergebnisse sind Teil der europaweiten Studie namens PREDICT. Die Studie beobachtet den klinischen Verlauf akuter Dekompensationen der Leberzirrhose, um frühe Anzeichen für die Entwicklung Akut-auf-chronische Leberversagen (ACLF) zu finden. Die Studie wird von der Europäischen Stiftung zur Untersuchung chronischen Leberversagens (European Foundation for the Study of Chronic Liver Failure) gefördert. An PREDICT sind 136 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von 47 Zentren und Institutionen in 14 europäischen Ländern beteiligt.

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Publikation: Jonel Trebicka, Javier Fernandez, Maria Papp, Paolo Caraceni, Wim Laleman, Carmine Gambino, et al.: The PREDICT study uncovers three clinical courses of acutely decompensated cirrhosis that have distinct pathophysiology. Journal of Hepatology, https://doi.org/10.1016/j.jhep.2020.06.013

Weitere Informationen:

Universitätsklinikum Frankfurt, Goethe-Universität Frankfurt
Medizinische Klinik I
Univ.-Prof. Dr. Dr. med. Jonel Trebicka
Sektion Translationale Hepatologie,
Medizinische Klinik I (Direktor: Univ.-Prof. Dr. med. Stefan Zeuzem)
Goethe Universität/Universitätsklinikum Frankfurt
Tel. +49 (0)69 6301 80789 (Jennifer Biondo, Sekretariat)
Jonel.Trebicka@kgu.de.

Die European Foundation for the Study of Chronic Liver Failure (EF Clif) ist eine private, gemeinnützige Stiftung, die das Ziel verfolgt, die Forschung über Akut-auf-chronisches Leberversagen (Acute-on-Chronic Liver Failure, ACLF) zu fördern und damit die Lebensqualität und die Überlebensrate von Patienten mit Leberzirrhose zu verbessern. EL Clif wurde 2015 gegründet und unterstützt die Arbeit des EASL Clif Konsortiums, einem Forschungsnetz von mehr als 100 europäischen Universitätskliniken und 200 klinischen Forschern. 2013 beschrieb das Konsortium ein neues Syndrom: Akut-auf-chronisches Leberversagen, die häufigste Todesursache von Patienten mit Leberzirrhose.

Derzeit werden die EF Clif-Forschungsaktivitäten über zwei „Chairs" gefördert: dem EASL Clif Chair, der Beobachtungs-, pathophysiologische und therapeutische Studien im Krankenhaus-Netz des EASL-Clif-Konsortiums unterstützt, und dem Grifols Chair, der die Entwicklung translationaler Forschungsprojekte über die Bildung eines Netzwerks aus Zentren in Europa unterstützt: Das Europäische Netzwerk für Translationale Forschung in chronischem Leberversagen (European Network for Translational Research in Chronic Liver Failure, ENTR-CLIF). Mehr über EF Clif: http://www.efclif.com Twitter: @ef_clif

Die Goethe-Universität ist eine forschungsstarke Hochschule in der europäischen Finanzmetropole Frankfurt. 1914 mit privaten Mitteln überwiegend jüdischer Stifter gegründet, hat sie seitdem Pionierleistungen erbracht auf den Feldern der Sozial-, Gesellschafts- und Wirtschaftswissenschaften, Medizin, Quantenphysik, Hirnforschung und Arbeitsrecht. Am 1. Januar 2008 gewann sie mit der Rückkehr zu ihren historischen Wurzeln als Stiftungsuniversität ein hohes Maß an Selbstverantwortung. Heute ist sie eine der drei größten deutschen Universitäten. Zusammen mit der Technischen Universität Darmstadt und der Universität Mainz ist die Goethe-Universität Partner der länderübergreifenden strategischen Universitätsallianz Rhein-Main. http://www.goethe-universitaet.de

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