News Release

Mischung und Migration brachten Ackerbau und Viehzucht nach Subsahara-Afrika

Alte DNA dokumentiert den Bevölkerungswandel von Jäger-Sammlern hin zu Hirten und Bauern in Zentral- und Ostafrika von der Jungsteinzeit bis zur Eisenzeit

Peer-Reviewed Publication

Max Planck Institute of Geoanthropology

Excavation

image: Paper co-author Dr. Christine Ogola oversees excavations at Kakapel Rockshelter with MPI-SHH PhD student Victor Imjili and post-doctoral researcher Emma Finestone. view more 

Credit: Steven Goldstein

Um die Interaktionen zwischen den Populationen nachzuvollziehen, die zu Afrikas enormer sprachlicher, kultureller und wirtschaftlicher Vielfalt führten, hat ein interdisziplinäres Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Afrika, Europa und Nordamerika menschliche Überreste aus Regionen genetisch untersucht, in denen aktuellen Modellen zufolge verschiedene Bevölkerungsgruppen aufeinandertrafen und sich vermischten. Die gemeinsame Studie des Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte (MPI-SHH), den Nationalen Museen Kenias und anderer Institutionen leiteten die Archäogenetikerin Ke Wang und der Archäologe Steven Goldstein vom MPI-SHH. Sie beleuchtet die Muster des Bevölkerungswandels zu einer Zeit als sich Ackerbau und Viehzucht in ganz Subsahara-Afrika ausbreiteten.

Komplexe Interaktionen

Während die Ausbreitung neuer Ernährungs- und Lebensweisen in den meisten Teilen der Welt dazu führte, dass die lokalen Jäger-Sammler allmählich ersetzt wurden, hat die Lebensform der Jäger-Sammler in mehreren Regionen Afrikas bis heute Bestand, zum Beispiel bei den San im Süden, den Hazda im Osten und den Mbuti im zentralafrikanischen Regenwald. Die aktuelle Studie zeigt, dass die Vorfahren dieser Gruppen vor Tausenden von Jahren ein überlappendes genetisches Kontinuum bildeten, das sich über einen Großteil des östlichen und südlichen Afrikas erstreckte.

"Die Abnahme des Kontakts zwischen regionalen Jäger-Sammlergruppen im heutigen Ost-, Süd- und Zentralafrika, sei es aufgrund von Klima- und Umweltfaktoren oder infolge des Rückzugs vor nahrungsmittelproduzierenden Gruppen, hat wahrscheinlich wesentlich zu der räumlich-genetischen Struktur beigetragen, die wir heute auf dem Kontinent beobachten können", sagt Ke Wang.

"Wir sind immer noch an einem Punkt, an dem von jedem analysierten Individuum viel lernen können“, fügt Steven Goldstein hinzu, "die Interaktionen zwischen Jäger-Sammlern, Hirten und Bauern waren selbst in den letzten Jahrhunderten komplexer, als wir bislang angenommen haben."

Um diese Interaktionen und ihre Auswirkungen auf Subsistenzstrategien, das heißt den Wirtschaftsformen zur Sicherung des Lebensunterhalts, besser zu verstehen, konzentrierte das Forschungsteam seine Untersuchungen auf Schlüsselgruppen und -regionen, die zuvor als bedeutende Treiber für Veränderungen bei der Lebensmittelproduktion identifiziert wurden: ost- und südafrikanische Jäger-Sammlergruppen, ostafrikanische pastorale Gruppen aus der Jungsteinzeit und der Eisenzeit, sowie eisenzeitliche Gruppen, die genetisch mit den heutigen Sprechern der Bantu-Sprachen verwandt sind.

Die Ankunft der Weideviehhaltung in Kenia

Die genetische Analyse von sechs Individuen aus Kenia, die vor etwa 4.500 bis 1.200 Jahren lebten, einer Periode in der die Menschen dort zur Weidewirtschaft übergingen, zeigte eine komplexere Zusammensetzung ihres Erbgutes als dies bei Individuen aus der gleichen Region, über die bereits früher berichtet wurde, der Fall war. Dieses Ergebnis unterstützt die Argumentation früherer Studien, dass Gruppen früher Hirten gleichzeitig auf geografisch unterschiedlichen Routen in Richtung Süden wanderten.

"In einem solchen Szenario", erklärt Dr. Emmanuel Ndiema von den Nationalmuseen von Kenia, "hat sich möglicherweise eine einzige nordafrikanische Basispopulation in viele verzweigt, indem sich einige Hirtengruppen entlang des Nilkorridors bewegten, andere durch Südäthiopien zogen und wieder andere möglicherweise durch den Osten Ugandas.“

Auf ihrem Weg, so die Annahme, hätten die ersten Viehhirten verschiedene Bevölkerungsgruppen getroffen und zu diesen unterschiedlich intensive Beziehungen aufgebaut. Dies habe dazu geführt, dass unterschiedliche genetische Abstammungen mit variierenden Anteilen in das Erbgut dieser Gruppen integriert wurden. Dieses Modell könnte auch erklären, dass archäologische Funde große Unterschiede in der materiellen Kultur, den Siedlungsstrategien und den Bestattungstraditionen zwischen den jungsteinzeitlichen Hirtenpopulationen belegen, deren Vorfahren jedoch genetisch eng miteinander verwandt sind.

Die Eisenzeit und die Bantu-Expansion

Einige der interessantesten Funde stammen vom Fundort „Kakapel Rockshelter“, einem Felsüberhang im Westen Kenias, wo Wissenschaftler/-innen der Nationalmuseen von Kenia und des Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte gemeinsam das Aufkommen der Landwirtschaft in dieser Region zu untersuchen.

Im Vergleich zu bereits früher analysierten Genomen aus dem Central Rift Valley, weist das Erbgut von zwei Individuen aus Kakapel eine signifikante Zunahme der Abstammung von Menschen auf, die heute nilotische Sprachen sprechen, wie die Dinka aus dem Südsudan. Das bedeutet, dass der genetische Zufluss regionenspezifisch war und auf mehreren Migrationen beruhen könnte. Die Analyse eines 900 Jahre alten Genoms ergab eine enge Affinität zu Dinka-Populationen, zeigte aber auch Einflüsse von west-eurasischen oder nordafrikanischen Gruppen. Die Population, zu der das 900 Jahre alte Individuum gehörte, hat sich demzufolge vermutlich aus jungsteinzeitlichen Hirten und neu ankommenden Agropastoralisten aus dem Niltal gebildet – und nicht infolge einer großen Migration von Gruppen mit westafrikanischen Vorfahren.

Ähnliche Belege wurden in Botswana gefunden. Dort erbrachte die Studie die erste archäogenetische Untermauerung der Hypothese, dass sich Hirten aus Ostafrika vor der Ankunft von Bantu-sprechenden Bauern im südlichen Afrika ausbreiteten. Obwohl die Studie neue Fragen zur Einheitlichkeit der Bantu-Expansion aufwirft, dokumentiert sie die Ankunft von Menschen mit Bantu-verwandten Vorfahren in Botswana während des ersten Jahrtausends unserer Zeitrechnung und ihre anschließende Vermischung mit ostafrikanischen Pastoralisten und südafrikanischen Jäger-Sammlerpopulationen.

„Wir haben Bantu-bezogene Vorfahren in Uganda, im Westkongo, in Tansania und Kenia identifiziert, was mit der gut dokumentierten genetischen Homogenisierung übereinstimmt, die durch die Bantu-Expansion ausgelöst wurde“, sagt Stephan Schiffels vom MPI-SHH, „aber wir sehen auch sehr unterschiedliche Muster der Bantu-Beimischung bei regionalen Jäger-Sammler- und Pastoralistenpopulationen im südlichen Afrika.“

"Während überregionale Studien dazu beitragen können, Interaktionen der Bevölkerung auf kontinentaler Ebene aufzudecken", sagt Schiffels, "werden regional ausgerichtete Studien zunehmend von Bedeutung sein, da sie uns helfen, die lokalen Muster kultureller und bevölkerungsbezogener Veränderungen in Zukunft besser zu verstehen."

###


Disclaimer: AAAS and EurekAlert! are not responsible for the accuracy of news releases posted to EurekAlert! by contributing institutions or for the use of any information through the EurekAlert system.