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Darmbakterien produzieren krebserregende Stoffe

Peer-Reviewed Publication

Hubrecht Institute

The Paper Explained

video: Cayetano Pleguezuelos-Manzano, Jens Puschhof and Axel Rosendahl Huber explain their research on genotoxic E. coli bacteria view more 

Credit: DEMCON | nymus 3D and Melanie Fremery, ©Hubrecht Institute

Krebsmutationen können von Darmbakterien verursacht werden, die in vielen Menschen vorhanden sind. Das konnten Forscher vom Hubrecht Institut (KNAW) und Prinses Máxima Center in Utrecht nachweisen. Indem sie menschliche Mini-Därme in der Petrischale einem speziellen Typ von Escherichia coli Bakterien aussetzten, entdeckten sie, dass diese Bakterien ein einzigartiges Muster von Mutationen in der menschlichen DNA hinterließen. Diese Mutationen wurden auch in der DNA von Darmkrebspatienten gefunden, was die Bakterien auch mit dieser Erkrankung in Verbindung bringt. Zum ersten Mal können Forscher somit eine direkte Verbindung zwischen den Bakterien, die unseren Körper bewohnen und den Mutationen, die Krebs verursachen, herstellen. Diese Forschungsergebnisse könnten die Prävention von Darmkrebs durch Bekämpfung schädlicher Bakterien einleiten. Die Resultate der Studie wurden am 27. Februar in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht.

Unser Körper enthält mindestens so viele bakterielle wie menschliche Zellen. Die meisten dieser Mikroben tragen zur Gesundheit bei, während andere Krankheiten verursachen können. Eine dieser potenziell schädlichen Bakterien ist ein Stamm des bekanntesten Darmbakteriums: Escherichia coli (E. coli). Dieser spezielle E. coli Stamm ist „genotoxisch": Er produziert eine Chemikalie, Colibactin genannt, welche die DNA in menschlichen Zellen schädigen kann. Daher wurde lang vermutet, dass diese genotoxischen E. coli - welche in jedem fünften Erwachsenen gefunden werden - schädlich für ihren menschlichen Wirt sein könnten. „Es werden Probiotika vermarktet, die genotoxische Stämme von E. coli enthalten. Einige davon werden in diesem Moment in klinischen Studien verwendet" erklärt Hans Clevers, Professor am Hubrecht Institut in Utrecht. „Diese Stämme sollten im Labor kritisch neu bewertet werden. Als Probiotika mögen sie Linderung für manche kurzfristigen Symptome bewirken, jedoch könnten sie Jahrzehnte nach der Behandlung zur Krebsentstehung führen."

Schaden in der Petrischale

Krebszellen werden von spezifischen DNA Mutationen angetrieben, welche es diesen Zellen erlauben zu einem Tumor auszuwachsen. UV-Strahlung und Rauchen können diesen DNA Schaden direkt verursachen, welcher zu Mutationen führt und somit die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass normale Zellen sich zu Krebszellen umwandeln. Bisher war jedoch unklar, ob die Bakterien in unserem Darm auf ähnliche Weise Krebsmutationen verursachen können.

Ein Team aus drei Doktoranden in den Gruppen von Hans Clevers (Hubrecht Institut) und Ruben van Boxtel (Prinses Máxima Center für Kinderonkologie) beschloss, die schädlichen Effekte des Colibactins auf menschliche DNA zu studieren. Dafür nutzten sie Miniaturversionen des menschlichen Darms, sogenannte Organoide, die im Labor von Hans Clevers konstruiert wurden. Die Doktoranden entwickelten eine Methode, diese gesunden menschlichen Darmorganoide genotoxischen E. coli Bakterien auszusetzen. Nach fünf Monaten sequenzierten sie die DNA der menschlichen Zellen und analysierten die Anzahl und Arten der Mutationen, die durch die Bakterien verursacht wurden.

Ein verräterischer Fußabdruck

Jeder Prozess der die DNA schädigt hinterlässt ein spezifisches Muster an Mutationen, das auch Mutations-Fußabdruck oder Signatur genannt wird. Solche Signaturen konnten bereits für etliche krebserregende Einflüsse identifiziert werden, darunter Tabakrauch und UV-Strahlung. Mutations-Signaturen verraten viel über vorausgegangene Einflüsse mutagener Prozesse, welche zur Krebsentstehung beitragen können. „Diese Signaturen haben großen Wert dafür, die Krebsentstehung zu verstehen und können sogar Behandlungsstrategien nahelegen", sagt Ruben van Boxtel. „Wir haben solche Mutations-Fußabdrücke in vielen Arten von Krebs nachgewiesen, auch in kindlichen Tumoren. Dieses Mal fragten wir uns, ob auch genotoxische Bakterien ihren einzigartigen Abdruck in der DNA hinterlassen können."

„Ich erinnere mich an die Aufregung, als die ersten Mutations-Signaturen auf dem Computerbildschirm erschienen" sagt Axel Rosendahl Huber, „wir hatten auf Hinweise einer Signatur gehofft, die wir in anderen Experimenten weiter verfolgen konnten. Die Muster, die wir jedoch sahen, waren ausgeprägter als alle Signaturen, die wir zuvor analysiert hatten."

Ein Puzzle fügt sich zusammen

Die genotoxischen Bakerien verursachten zwei zusammenhängende Muster von Mutationen in der DNA der Organoide: einen Austausch von A zu einem der anderen vier möglichen Buchstaben im Buchstabencode der DNA, und den Verlust eines einzelnen A in langen Abschnitten von As. In beiden Fällen war ein A auf dem gegenüberliegenden Strang der DNA-Doppelhelix zu finden, jeweils 3 bis 4 Basen von der mutierten Stelle entfernt.

Es stellt sich die Frage, ob hierdurch auf den Mechanismus der DNA-Schädigung durch Colibactin geschlossen werden kann. „In der Endphase unseres Projektes wurden von anderen Forscherteams die chemische Struktur von Colibactin und seine Interaktion mit der DNA entschlüsselt" sagt Cayetano Pleguezuelos-Manzano. Diese Struktur ließ darauf schließen, dass Colibactin gleichzeitig an zwei As in der DNA binden und diese verknüpfen kann. „Es war wie ein Puzzle, das sich zusammenfügt. Die Mutations-Muster, die wir in unseren Experimenten sahen, konnten sehr gut durch die chemische Struktur des Colibactins erklärt werden."

Vom Organoid zum Patienten

Nun, da sie den genetischen Fußabdruck der genotoxischen E. coli identifiziert hatten, suchten die Forscher nach Spuren davon in der DNA von Krebspatienten. Hierfür analysierten sie Mutationen in mehr als 5,000 Tumoren etlicher Krebsarten. Unter all diesen stach ein Typ hervor: "In mehr als 5% der Darmtumore konnte der Fußabdruck deutlich nachgewiesen werden, während er in weniger als 0,1% der anderen Krebsarten vorkam" erinnert sich Jens Puschhof. „Stellen Sie sich vor, monatelang den mutagenen Fußabdruck eines Darmbakteriums in der Petrischale zu studieren und genau diesen dann in der DNA von Krebspatienten zu finden." Nur einige wenige andere Krebsarten, welche auch im direkten Kontakt mit den Bakterien stehen wie zum Beispiel Tumore in der Mundhöhle und Blase zeigten auch den Fußabdruck. „Es ist bekannt, dass E. coli auch diese Organe infizieren kann und wir untersuchen momentan, ob der genotoxische Effekt auch außerhalb des Darms wirken kann. Unsere experimentell gefundene Signatur hilft uns auch bei diesen Studien."

Eine frühe Warnung

Diese Studie könnte direkten Einfluss auf die menschliche Gesundheitsvorsorge haben. So könnten Individuen auf das Vorhandensein der genotoxischen Bakterien getestet werden; es wurde festgestellt, dass 10-20 Prozent aller Menschen diese schadhafte Version von E. coli in ihrem Darm haben. Eine Behandlung mit Antibiotika könnte diese Bakterien früh entfernen. In Zukunft könnte es somit möglich sein, die Entwicklung von Darmkrebs noch frühzeitiger zu erkennen oder sogar in einigen Fällen zu verhindern.

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Publikation

A mutational signature in human colorectal cancer induced by genotoxic pks+ E. coli: Cayetano Pleguezuelos-Manzano*, Jens Puschhof*, Axel Rosendahl Huber*, Arne van Hoeck, Henry Wood, Jason Nomburg, Carino Gurjao, Freek Manders, Guillaume Dalmasso, Paul Stege, Fernanda Paganelli, Maarten H. Geurts, Joep Beumer, Tomohiro Mizutani, Reinier van der Linden, Stefan van Elst, The Genomics England Consortium, Janetta Top, Rob Willems, Marios Giannakis, Richard Bonnet, Phil Quirke, Matthew Meyerson, Edwin Cuppen, Ruben van Boxtel, Hans Clevers. Nature 2020.

Diese Publikation ist das Resultat einer Kollaboration zwischen den Gruppen von Hans Clevers am Hubrecht Institute for Developmental Biology and Stem Cell Research, der Gruppe von Ruben van Boxtel am Princess Máxima Center for Pediatric Oncology, des UMC Utrecht, der University of Leeds, der Dana-Farber Cancer Institute/Harvard Medical School, der University Clermont Auvergne, von Genomics England und der Hartwig Medical Foundation.

Hans Clevers ist Gruppenleiter am Hubrecht Institut und dem Princess Máxima Center für Kinderonkologie, Professor für Molekulargenetic am UMC Utrecht und der Universität Utrecht, sowie Oncode Investigator.

Ruben van Boxtel ist Gruppenleiter am Princess Máxima Center für Kinderonkologie und Oncode Investigator.

Diese Arbeit wurde unterstützt vom CRUK grant OPTIMISTICC [C10674/A27140], dem gravitation program CancerGenomiCs.nl und NOCI (024.003.001) der Netherlands Organisation for Scientific Research (NWO), dem Oncode Institute (teilweise finanziert von der Dutch Cancer Society), dem European Research Council unter dem ERC Advanced Grant Agreement no. 67013, einem VIDI grant der Netherlands Organisation for Scientific Research (NWO) (no. 016.Vidi.171.023).


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