News Release

Ordnung durch Unordnung: Wie Zufall und kollektive Bewegung eine Stammzelle definieren

Kollektive Zelldynamik könnte Funktion, Anzahl und Dynamik von Stammzellen definieren

Peer-Reviewed Publication

Institute of Science and Technology Austria

Live-Imaging of Stem Cells Randomly Moving in the Mammary Gland Tissue

image: Five consecutive microscopic images of the mammary gland, taken over 8 hours, show the random movement of stem cells that make the cells spread through the tissue. All cells of the same lineage are marked. view more 

Credit: Colinda Scheele / Oncode Institute

Stammzellen sind für die Entwicklung und Erneuerung von Organen von zentraler Bedeutung. In den meisten Organen befinden sich Stammzellen in bestimmten Regionen und können in einigen Fällen durch mehrere spezifischen Eigenschaften, wie molekulare Marker, identifiziert werden. Sie können sich in verschiedene Zelltypen entwickeln und sich unbegrenzt teilen, um neue Stammzellen zu produzieren. Bedeutet dies jedoch, dass die Stammzelle in dieser Kette unsterblich ist? Oder kann jede Zelle sie stürzen und ihre Rolle einnehmen? Die wissenschaftliche Gemeinschaft befindet sich in einer offenen Debatte darüber, ob Stammzellen tatsächlich aus inneren Zelleigenschaften oder aus der kollektiven Dynamik des Gewebes entstehen. In diesem zweiten Szenario stehen potenzielle Stammzellen in ständiger Konkurrenz, um bestimmten "Nischen"-Regionen. Jede Zelle will ihren Nachbarn durch Replikation übertreffen und drängt sie deshalb ständig weiter aus diesen Gebieten. Die funktionelle Stammzelle ist dann die Zelle, die diesen Wettbewerb gewinnt. Die Verlierer werden aus der Nische verdrängt, entwickeln sich in andere Zelltypen und sterben schließlich.

In ihrer Studie untersuchte die Hannezo-Gruppe am IST Austria in Zusammenarbeit mit Forschern des Nationalen Krebsinstituts der Niederlande und der Universität Cambridge den Mechanismus zur Überwindung solcher aus der Nische drängenden Kräfte. Sie verwendeten ein Mikroskop, um Stammzellbewegungen im Brust-, Darm- und Nierengewebe aufzuzeichnen. Das Team beobachtete, zusätzlich zu den konstanten Schubkräften, viele zufällige Bewegungen der Zellen. Warum sollten diese wichtig sein? "Ein berühmtes Sprichwort im Immobiliengeschäft lautet: 'Lage, Lage, Lage'. Im Fall von Stammzellen überträgt sich dieses Sprichwort auf einen Ort, der die Stammzellen-artigkeit einer Zelle bestimmt (und nicht umgekehrt). Zufällige Bewegungen sind dann der Schlüssel, da sie es einem ermöglichen, an den richtigen Ort zu gelangen, auch wenn man am falschen begonnen hat", fasst Edouard Hannezo zusammen.

Unter diesem Rahmen sehen die Gewebe wie der Ausgang der U-Bahn-Station in der Hauptverkehrszeit aus. Einige Leute sind in der Lage, sich zufällig gegen die Bewegung der Masse durchzudrücken und wieder die U-Bahn zu nehmen. Unter dieser Metapher sind zufällige Bewegungen der Schlüssel, damit Zellen, die sich von der Stammzellnische entfernen, schliesslich wieder in diese Nische zurückkehren können. "Wir wollten wissen, was die Anzahl und die Dynamik der Stammzellen definiert und inwieweit dies durch eine mathematische Untersuchung der Bewegungen der Zellen und der Geometrie der Organe beantwortet werden kann", sagt Bernat Corominas-Murtra, der führende Wissenschaftler in dieser Studie. Die Wissenschafter haben dann diese zufällige Zelldynamik mathematisch in der Geometrie der Organe abgebildet und konnten unter anderem die Anzahl der funktionellen Stammzellen vorhersagen (diejenigen, im System rechtzeitig an den richtigen Ort gelangen können). Sie stellten fest, dass sich während der Gewebeerneuerung oder des Wachstums Stammzellregionen auf natürliche Weise entwickelten, ohne dass Annahmen über die molekulare Natur der Zellen getroffen werden mussten. Daher zeigten die Wissenschaftler, dass allein die Dynamik und Geometrie eine wesentliche Rolle spielen.

Bernat Corominas-Murtra beschreibt seine Ergebnisse: "Man würde erwarten, dass die Zufälligkeit der Zellbewegungen die Merkmale des Systems verwischt oder es instabiler macht. Stattdessen ist der Zufall ein Schlüssel für die Entstehung robuster, komplexer Strukturen wie der Stammzellregion. Bemerkenswerterweise stimmt diese Region mit derjenigen überein, die zuvor anhand biomolekularer Marker einzelner Zellen identifiziert wurde". Die Ergebnisse der Wissenschaft tragen zur offenen Debatte über die Natur von Stammzellen in Geweben bei und eröffnen möglicherweise eine neue Dimension im Verständnis der Organerneuerung.

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