News Release

Die Leckerbissen zuerst: Bakterien haben einen Menüplan beim Abbau von Algenblüten

Metaproteomik erlaubt neue Einblicke in den marinen Kohlenstoffkreislauf

Peer-Reviewed Publication

Max Planck Institute for Marine Microbiology

Phytoplankton

image: Seasonal blooms of tiny algae play an important role in marine carbon cycling. Now a new detail of the surrounding mysteries has been uncovered. view more 

Credit: Max Planck Institute for Marine Microbiology / G. Reintjes

Die jährlichen Algenblüten in der Nordsee sind wichtig für unser Klima, denn sie entziehen der Atmosphäre große Mengen an Kohlendioxid. Sie sind jedoch kurzlebig. Wenn die Algen absterben, wird der meiste Kohlenstoff ins umgebende Meerwasser abgegeben. Dort warten bereits Bakterien darauf, sicher darüber herzumachen und die Algenreste zu verzehren.

In früheren Studien wurde nachgewiesen, dass bei diesen Blüten von Jahr zu Jahr unterschiedliche Algenarten die Oberhand gewinnen können. Bei den Bakterien, welche die Algen wieder abbauen, herrschen dennoch alljährlich dieselben spezialisierten Gruppen vor. Offenbar bestimmen nicht die Algen selbst, sondern ihre Bestandteile – vor allem Ketten von Zuckermolekülen, die sogenannten Polysaccharide – welche Bakterien gedeihen. Die Details der bakteriellen Reaktion auf das Algenfestmahl sind bis heute nicht vollständig verstanden.

Metaproteomik: Bakterielle Proteine en gros untersuchen

Deshalb hat Ben Francis nun zusammen mit Forschenden des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie, der Universität Greifswald und des MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften an der Universität Bremen einen genaueren Blick auf das Innenleben der Bakterien geworfen. „Wir entschieden uns für eine Methode namens Metaproteomik, bei der wir alle Proteine in einer mikrobiellen Gemeinschaft, in unserem Fall im Meerwasser, untersuchen“, erklärt Francis. „Dabei interessierten wir uns ganz besonders für Transporterproteine. Deren Aktivität ist entscheidend, um die Aufnahme der Algenzucker in die Bakterienzellen zu verstehen.“ Die metaproteomischen Daten zeigten, dass sich die Transporterproteine im Laufe der Zeit deutlich veränderten. „Verschiedene Transporterproteine sind vermutlich für die Aufnahme verschiedener Zucker zuständig. Wir sahen eine klare Veränderung dieser Proteine im Laufe der Zeit“, so Francis weiter. „Das weist darauf hin, dass sich die Bakterien zu Beginn hauptsächlich auf die 'leicht abbaubaren' Substrate, wie Laminarin und Stärke, konzentrieren. Später greifen sie die 'schwerer abbaubaren' Polymere an, die aus Mannose und Xylose bestehen.“

Ein Zucker nach dem anderen

Mit anderen Worten: Die Bakterien nehmen zuerst den leichten Weg. Erst wenn die Leckerbissen verzehrt sind, machen sie sich über die zähen Brocken her. Wann geht dieser Wandel vonstatten? Ben Francis und seine Kolleginnen und Kollegen sehen zwei mögliche Auslöser: Entweder werden die zähen Brocken immer attraktiver je mehr der Wettbewerb um die leichten Nahrungsquellen zunimmt, weil sich die Bakterien in dieser üppigen Umgebung schnell vermehren und damit die Zellzahlen steigen. Oder aber es hängt mehr von den Algen ab: Wenn die Algenblüte zusammenbricht und immer mehr Algen sterben, sammeln sich mehr 'schwer verdauliche' Reste an, die dadurch zu einer effizient nutzbaren Nahrungsquelle werden.

Obwohl die Forschenden aus Bremen und Greifswald die Dynamik von Algen- und Bakterienblüten in der Nordsee schon lange untersuchen, war dieser zeitliche Verlauf bisher unentdeckt geblieben. „Durch die Kombination modernster Proteomik-Techniken mit Probenvorbereitungsmethoden, die speziell auf die hohe Komplexität dieser sehr anspruchsvollen Proben zugeschnitten sind, konnten wir einen der umfassendsten Proteom-Datensätze mit mehr als 20.000 Proteingruppen erstellen. Diese Daten zeigten, dass sich die Substratspezifität der Transporterproteine im Laufe der Zeit verändert. Diese Veränderungen waren in dem entsprechenden metagenomischen Datensatz, an dem die Vielfalt der Bakterien untersucht wurde, nicht sichtbar“, sagt Dörte Becher von der Universität Greifswald. „Das zeigt deutlich, dass wir sehr tief graben müssen, um die zugrunde liegenden ökologischen Prozesse zu verstehen, die den marinen Kohlenstoffkreislauf steuern.“ Die Quantifizierung von Transporterproteinen könnte also ein wichtiges Stück zur Lösung des hochkomplexen Puzzles des marinen Kohlenstoffkreislaufs sein.

Kombination von Methoden ermöglicht neue Einblicke

„Diese detaillierte 'meta-proteogenomische' Studie vereint die außergewöhnliche Expertise der Universität Greifswald, Proteine in komplexen Umweltproben zu identifizieren und quantifizieren, mit unserer Expertise in der molekularen mikrobiellen Ökologie“, betont Rudolf Amann, Co-Autor der Studie und Direktor des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie in Bremen. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass das komplexe heterotrophe Mikrobiom der Nordsee auf zweierlei Art auf Algenblüten reagiert: Einerseits verändern sich infolge des wechselnden Nahrungsangebots die Bakterienarten nach einem wiederkehrenden Muster, andererseits verändert sich aber auch die Expression von Transporterproteinen und Abbauenzymen deutlich.“ Letztendlich wird es die Kombination verschiedener Methoden sein, die unser Wissen über die Moleküle, enzymatischen Reaktionen und Raten, die dem marinen Kohlenstoffkreislauf zugrunde liegen, voranbringen wird. Und das ist eine wichtige Voraussetzung, um den Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre vorherzusagen und zu managen.

###

Werfen Sie einen Blick hinter die Kulissen in dem Blogpost von Ben Francis (nur auf Englisch): https://naturemicrobiologycommunity.nature.com/posts/metagenomes-tell-us-the-what-metaproteomes-tell-us-the-how-much


Disclaimer: AAAS and EurekAlert! are not responsible for the accuracy of news releases posted to EurekAlert! by contributing institutions or for the use of any information through the EurekAlert system.