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Neue Studie zur Epigenetik: Wie Meerschweinchenväter Anpassungen an Umweltveränderungen „vererben

Peer-Reviewed Publication

Forschungsverbund Berlin

Wild Guinea Pig

image: This is wild guinea pig. view more 

Credit: Anja Günther

Anpassung an sich verändernde Umweltbedingungen ist der Erfolgsgarant für das Überleben aller Tier- und Pflanzenarten. Dies geschieht häufig über genetische Mutation und Auslese, ein zufälliger und langsamer Prozess. Schneller wirksam sind sogenannte epigenetische Modifikationen, die das Erbgut unangetastet lassen, bei der Zellreifung aber die Aktivität verschiedener Teile des Erbguts beeinflussen und dadurch unterschiedliche Spezialisierungen hervorbringen. Eine neue Studie des Leibniz-IZW zeigt nun an Wildmeerschweinchen, dass je nach Umweltfaktor spezifische Anpassungen von einer Generation an die nächste weitergegeben werden. Die wissenschaftliche Studie ist in der Fachzeitschrift „Genes“ erschienen.

Für die Studie hat das Forscherteam um Alexandra Weyrich vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) zwei Gruppen von männlichen wilden Meerschweinchen untersucht. Die eine Gruppe bekam zwei Monate lang ein verändertes Futter mit deutlich geringerem Eiweißanteil, die andere wurde einer um 10 Grad erhöhten Umgebungstemperatur ausgesetzt. Die Tiere reagierten auf diese Umweltveränderungen durch Modifikationen auf der zellulären Ebene. „Epigenetische Modifikationen sind schon seit längerer Zeit bekannt. Wir wollten nun herausfinden, ob diese Modifikationen auch an den Nachwuchs vererbt werden und ob Männchen daran auch einen Anteil haben", sagt Weyrich. Dafür untersuchten sie Nachkommen, die dieselben Männchen vor und nach der Versuchsphase mit jeweils denselben Weibchen zeugten. Der Vergleich der Nachkommen vor und nach der Versuchsphase ergab deutliche Unterschiede - ein Beleg dafür, dass die Weitergabe dieser Anpassungen an Umwelteinflüsse tatsächlich stattfindet und dass auch die Männchen eine wichtige Rolle im Anpassungsprozess an Umweltveränderungen spielen. „Das für uns Interessanteste war der Vergleich der beiden Gruppen", so Weyrich. „Unsere Ergebnisse zeigen erstmalig, dass die epigenetische Antwort auf sich verändernde Umweltbedingungen aus zwei Teilen besteht: einem allgemeinen Teil, der die Reaktion darauf widerspiegelt, dass sich die Umwelt generell verändert hat, unabhängig davon, welcher Faktor von der Veränderung betroffen ist, und einem sehr spezifischen Teil, der auf den veränderten Umweltfaktor abgestimmt ist."

Umweltveränderungen, wie z.B. steigende Temperaturen oder Einschnitte in das Nahrungsangebot stellen Tiere und Pflanzen in Zeiten des menschengemachten globalen Wandels, inklusive des Klimawandels, vor große Herausforderungen. Für einige Tierarten kann dies fatale Folgen haben: Korallen gelten beispielsweise als temperaturempfindlich und auch die Fortpflanzung einiger Frosch- und Krokodilarten ist eng mit speziellen Temperaturverhältnissen verknüpft. Im Zuge solch drastischer Umweltveränderungen sind Tier- oder Pflanzenarten im Vorteil, die eine hohe Anpassungsfähigkeit aufweisen. Der bekannte Mechanismus von Mutation und Auslese ist hierfür jedoch zu träge, da er auf zufälligen Veränderungen beruht, die sich auf lange Sicht innerhalb einer Population durchsetzen, wenn sie das Überleben und/oder die Fortpflanzung unter den jeweiligen Umweltbedingungen verbessern (natürliche Selektion). Epigenetische Modifikationen können Umwelteinflüsse deutlich schneller verarbeiten und sind daher ein enorm wichtiger Mechanismus der Anpassung. Dabei werden die genetischen Informationen nicht verändert, sondern es werden vielmehr einzelne Genbestandteile entweder aktiviert und gestärkt oder andere stillgelegt. Dies geschieht im Zuge der Spezialisierung der Zellen auf bestimmte Funktionen, etwa als Knochen-, Haut- oder Leberzellen.

Eine der wichtigsten epigenetischen Modifikationen ist die Methylierung des Erbguts (also der DNA)", sagt Weyrich. Die WissenschaftlerInnen untersuchten für die Studie ob es Abschnitte im Erbmaterial gab, die zwischen den verschiedenen Versuchsgruppen unterschiedlich methyliert waren (differentially methylated regions, DMRs). Beide Antworten ¬- auf die neue Nahrungszusammensetzung wie die Temperaturveränderung - waren über entsprechend veränderte Methylierungsmuster im Erbmaterial der Nachkommen abgebildet. „Frühere epigenetische Studien wurden vor allem an Laborpopulationen durchgeführt, die seit Generationen unter künstlichen Lebensbedingungen lebten. Studien dieser Art an Wildtieren sind noch rar", sagt Weyrich. „Die Auswahl unserer Untersuchungsart und unser vergleichendes Versuchsdesign ermöglichte diese neuen Erkenntnisse." Um die Weitergabe von epigenetischen Moifikationen an unterschiedlichste Umweltveränderungen bei einer Vielzahl wilder Tierarten zu verstehen, seien weitere Forschungen in erheblichem Umfang nötig.

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