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Die Logik der Bescheidenheit

Ein neues Modell der Spieltheorie erklärt, warum wir manchmal positive Eigenschaften und gute Taten verschleiern. Wissenschaftler beweisen, dass Bescheidenheit sich auf natürliche Weise entwickeln kann

Peer-Reviewed Publication

Institute of Science and Technology Austria

Warum machen Menschen anonyme Spenden und warum empfindet die Öffentlichkeit das als bewundernswert? Warum spielen Menschen ihr Interesse an einem potenziellen Partner herunter, auch wenn sie dadurch riskieren, dass die Beziehung nie zustande kommt? Ein Team von Wissenschaftlern, bestehend aus Christian Hilbe vom Institute Science and Technology Austria (IST Austria) und den zwei Harvard-Forschern Moshe Hoffman und Martin Nowak, hat ein neuartiges spieltheoretisches Modell entwickelt, das diese Verhaltensweisen erfasst und es ermöglicht, sie zu untersuchen. Ihr neues Modell beinhaltet erstmals die Idee, dass verborgene Signale zusätzliche Informationen über den Sender liefern - sofern sie entdeckt werden. Mithilfe dieser Idee lässt sich erklären, unter welchen Umständen es einen Anreiz gibt, positive Eigenschaften zu verbergen.

Ein guter Ruf ist wichtig, und oft nehmen Menschen Kosten und Aufwand in Kauf, um auf lange Sicht ihre Reputation zu verbessern. Dass es zahlreiche Situationen gibt, in denen Menschen Errungenschaften oder gute Eigenschaften verbergen, zum Beispiel bei anonymen Spenden, scheint da ein Widerspruch zu sein. Wenn Subtilität in Kunst oder Mode betont wird, oder auch, dass wir es vermeiden, übereifrig zu wirken, sind weitere Beispiele dafür. Warum halten andere dieses Verhalten für lobenswert? Das Forscherteam bietet nun Einsicht in dieses gesellschaftliche Rätsel. Ihnen zufolge ist das Verschleiern eines Signals, also das Verdecken von Informationen, ein Signal an und für sich.

Dieses zusätzliche Signal kann mehrere Bedeutungen haben: zum Beispiel könnte der Absender schlicht nicht an denjenigen interessiert sein, die zwar beeindruckt gewesen wären, die aber nicht auf subtile Botschaften ansprechen. Ein Beispiel hierfür wäre ein Künstler, der den Massengeschmack verachtet. Alternativ könnte der Absender sicher sein, dass diejenigen, die ihm wichtig sind, ohnehin von seinen Eigenschaften erfahren werden, zum Beispiel werden diejenigen, die über den Geschmack und den notwendigen Reichtum verfügen, eine Designer-Tasche ohne ein offensichtliches Logo erkennen.

Den Wissenschaftlern gelang es nun, diese Ideen in einem neuen evolutionären Spieltheoriemodell zu formalisieren, das sie das "signal-burying game", also Signalverschleierungsspiel nennen und in einem heute in Nature Human Behavior veröffentlichten Paper ausführlich beschreiben. In diesem Spiel gibt es verschiedene Arten von Signal-Absendern (hoch, mittel und niedrig) und verschiedene Arten von Empfängern (selektiv und nicht selektiv). Der Absender und der Empfänger kennen den Typ des anderen nicht. Um ihren Typ in einem Signal zu übermitteln, können Absender eine Gebühr zahlen. Signale können deutlich gesendet werden oder verborgen werden. Wenn ein Signal verborgen ist, hat es eine geringere Wahrscheinlichkeit, von irgendeiner Art von Empfänger beobachtet zu werden. Insbesondere besteht das Risiko, dass die Empfänger niemals erfahren, dass der Sender überhaupt ein Signal gesendet hat. Nachdem der Absender seine Signalisierungsentscheidung getroffen hat, entscheiden die Empfänger, ob sie eine wirtschaftliche Interaktion mit dem Sender eingehen wollen oder nicht. Das Spiel hat ein gewisses Risiko, und deshalb müssen Sender und Empfänger Strategien entwickeln, um ihren Ertrag zu maximieren.

"Wir wollten verstehen, welche Strategien sich auf natürliche Weise entwickeln und stabil sind", erklärt Christian Hilbe, einer der beiden Erstautoren des Papers und Postdoc in der Forschungsgruppe um Krishnendu Chatterjee am IST Austria. "Ist es möglich, eine Situation zu haben, in der hochklassige Versender immer ihre Signale verbergen, Sender des mittleren Levels immer ein klares Signal senden und Sender des niedrigsten Levels kein Signal senden?" Dies würde Situationen aus dem wirklichen Leben entsprechen und ist zugleich eines der wichtigsten Merkmale ihres Modells: Es ermöglicht Strategien, die auf bestimmte Empfänger abzielen und dafür in Kauf nehmen, andere zu nicht zu erreichen.

In ihren Simulationen beginnen die Spieler damit, dass sie weder Signale senden noch empfangen. Dann wählt ein Spieler mit einiger Wahrscheinlichkeit entweder eine zufällige Strategie - was eine Mutation darstellt - oder imitiert einen anderen Spieler - was einen Lernprozess darstellt, der auf Strategien mit höherem Ertrag ausgerichtet ist. In ihren Simulationen fanden die Wissenschaftler heraus, dass Populationen sich schnell auf der oben beschriebenen Strategie einpendelten.

Das Team entwickelte außerdem mehrere Erweiterungen für das Modell, die es ermöglichen, allgemeinere Szenarien abzudecken. Erstens fügten sie verschiedene Ebenen der Verschleierung hinzu: Absender konnten wählen, mit welcher Wahrscheinlichkeiten eine Aufdeckung stattfindet. "Wir haben festgestellt, dass hohe Sender in diesem Fall eher bescheiden sind ... aber auch wieder nicht zu bescheiden", fügt Hilbe hinzu. "Selbst wenn du bescheiden bist, versuchst du nicht, heiliger als der Papst sein." Im Modell ermöglicht es außerdem, die Anzahl der Arten von Sendern und Empfängern zu erhöhen und Feinheiten in die Präferenzen der Empfänger hinzuzufügen.

Mit ihrem neuen Modell eröffnen Hilbe, Hoffman und Nowak eine andere Perspektive auf verschiedene alltägliche Situationen: auf den anonymen Spender ebenso wie auf den Akademiker, der seinen Titel nicht offenbart, den Künstler, der Kunst mit verborgenen Botschaften schafft, oder den möglichen Partner, der sein Interesse verdeckt. Evolutionäre Spieltheorie zeigt, dass diese rätselhaften sozialen Verhaltensweisen letztendlich Sinn ergeben.

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