News Release

Biophysiker haben die Originalstruktur des aussichtsreichsten optogenetischen Proteins -- Rhodopsin KR2 -- dekodiert

Peer-Reviewed Publication

Moscow Institute of Physics and Technology

KR2 Rhodopsin

image: KR2 rhodopsin monomer (left) and pentamer (right) in the cell membrane, shown as blue disks. In the monomer state, sodium transport is blocked, the orange pore does not permit ion uptake into the protein. view more 

Credit: Kirill Kovalev et al./<i>Science Advances</i>

Im Rahmen einer Kollaboration von Wissenschaftlern des Moskauer Instituts für Physik und Technologie (MFTI), Instituts für Strukturbiologie der Universität Grenoble und des Europäischen Synchrotrons in Grenoble (Frankreich), des Forschungszentrum Jülich, der Aachener Universität und des Max Planck Instituts (Deutschland) wurde erstmals weltweit die Struktur des Proteins Rhodopsin KR2 unter physiologischen Bedingungen dekodiert und erforscht. Diese Pionierarbeit verspricht einen Durchbruch im aktuellsten biomedizinischen Fachgebiet, der Optogenetik, und deren praktischer Umsetzung bei der Behandlung weit verbreiteter neurologischer Erkrankungen. Klinische Depressionen, Angstzustände, Epilepsie, Parkinson -- alle diese Pathologien erhalten ein neues Werkzeug für eine effektive Therapie, Dank einer grundlegenden Entdeckung internationaler Forschergruppen, bei dem einem Team von Biophysikern des Moskauer Instituts für Physik und Technologie gehört ein führende Rolle zukommt. Die Arbeit der Wissenschaftler wurde in einer der angesehensten wissenschaftlichen Zeitschriften, in Science Advances vom Verlag des Amerikanischen Verbandes zur Förderung der Wissenschaftsentwicklung, veröffentlicht.

Optogenetik ist eines der neuesten biophysischen und biomedizinischen Fachgebieten, das sich mit den praktischen Möglichkeiten der Steuerung von Nerven- und Muskelzellen von Lebewesen mit Hilfe gerichteter Lichtstrahlen beschäftigt. Vor kurzem hat sogar die weltweit anerkannte wissenschaftliche Zeitschrift Science Optogenetik von einem „Jahrzehnten Durchbruch" gesprochen. Optogenetische Methoden erlauben schon heute, die verlorene Seh- und Hörkraft teilweise wiederherzustellen und Muskelkontraktionen bei neurologischen Erkrankungen zu kontrollieren. Das Wichtigste ist jedoch, dass diese Methoden eine tiefgehende Erforschung neuronaler Netze (von Lebewesen) ermöglichen, die für unsere Gefühle, Entscheidungen und andere grundlegende Prozesse in Lebewesen verantwortlich sind.

Vor ein paar Jahren wurde im Zellmembran des Meeresbakteriums Krokinobacter eikastus ein neuer, bis dahin unbekannter Ionentransporter, das Rhodopsin-Protein, welches KR2 genannt wird, entdeckt. Es gehört zur Gruppe der lichtempfindlichen Proteine, die in der Optogenetik verwendet werden. Unter Lichteinwirkung erlauben diese Proteine den geladenen Teilchen, den Ionen, in die Zelle einzudringen oder diese zu verlassen. Durch Integration solcher Ionentransporter in das Neuronenmembran haben die Wissenschaftler eine Möglichkeit, mit Hilfe gerichteter Lichtimpulse das Potenzial des Zellmembrans von Neuronen zu beeinflussen, indem sie deren Aktivität kontrollieren. KR2 hat sich als fähig erwiesen, zielgerichtet eine konkrete Art von Ionen, nämlich Natriumionen, aus der Zelle herauszuführen. Es „pumpt" sie aus der Zelle „heraus", anstatt sie in beide Richtungen durchzulassen. Deshalb benutzen Wissenschaftler für diese aktive Handlung das Verb herauspumpen. Und dementsprechend wird KR2 „Pumpe" genannt. Außerdem sind seine mutierten Formen fähig, durch die Zellmembran nicht nur Natriumionen, sondern auch Kaliumionen zu pumpen. Die Integration des KR2 in die Zellmembran von Neuronen könnte theoretisch ermöglichen, die Aktivität der Nervenzellen vollständig zu kontrollieren.

Aber die Studienwelle, die wegen der Entdeckung der neuen „Pumpe" entstand, stieß auf einige äußerst rätselhafte Eigenschaften von Rhodopsin. Insbesondere stellte sich heraus, dass einige Forschergruppen im Rahmen ihrer Arbeit insgesamt fünf unterschiedliche Strukturen dieses aussichtsreichen Proteins entdeckt und beschrieben haben. Es ist bemerkenswert, dass in einem Teil dieser Strukturen fünf Proteinmoleküle ein festes Pentamer bilden, wohingegen im restlichen Teil nur Protein-Monomere vorhanden waren.

„Deswegen stellte sich die wichtige Frage: Welche dieser Strukturen ist die richtige? -- Dies fragt sich einer der Hauptautoren der Arbeit, Aspirant des Moskauer Instituts für Physik und Technologie (MFTI) Kirill Kovaljov-- Generell waren alle entdeckten Strukturen relativ ähnlich, aber der Teufel steckt im Detail: Davon hängen die Anwendungsmöglichkeiten des neu entdeckten Objekts in der wissenschaftlichen und klinischen Praxis ab".

Im Rahmen der Studie hat eine Gruppe von Wissenschaftlern unter der Leitung der Physiktechniker den Grund für diese erstaunliche Vielfalt an Strukturen des neuen Proteins gefunden. Dazu kam es, weil verschiedene Forschergruppen KR2 nicht unter exakt gleichen Bedingungen erforscht hatten. Dieses Protein mit seinen einzigartigen Eigenschaften synthetisiert die im Meer lebenden Bakterien unter sehr spezifischen Umgebungsbedingungen: Das Bakterium ist von einer Wassermasse mit einer genau bestimmten Salzkonzentration, Säuregehalt und pH-Wert umgeben. Nur unter diesen Bedingungen macht das Protein das, was die Wissenschaftler von ihm erwarten, d.h. es pumpt Natriumionen und bildet Pentamere in der Zellmembran. Zahlreiche „falsche" Protein-Strukturen, waren, wie es sich herausgestellt hat, entweder Kristallisierungsartefakte oder wurden unter solchen Bedingungen entdeckt und erforscht, in denen KR2 praktisch keine der Eigenschaften hatte, auf die die internationale Gemeinschaft der Optogenetiker große Hoffnung setzt.

„Wir haben erstmals die sogenannten physiologischen Bedingungen für die Existenz und das Funktionieren von KR2 modelliert und als Ergebnis die „richtige" Struktur des neuen Proteins, das bei entsprechenden Umgebungsbedingungen entsteht, beschrieben. Wir haben gezeigt, dass die Funktionseinheit des Proteins das Pentomer ist, erklärt Valentin Gordeli, Leiter des Forschungszentrums für molekulare Alterungsmechanismen und Alterserkrankungen des Moskauer Instituts für Physik und Technologie und Instituts für Strukturbiologie in Grenoble. Es ist uns auch gelungen zu erklären, weswegen ernsthafte Abweichungen in den zahlreichen früheren Studien der Objektstruktur entstanden sind".

Die Experten sind der Meinung, dass die Kenntnisse über die Originalstruktur von Rhodopsin KR2 unter physiologischen Bedingungen, die eine grosse Bedeutung für die Optogenetik haben, nicht nur grundlegend für das Verstehen des Funktionsmechanismus des Proteins sind, sondern auch zahlreiche neue und hervorragende Möglichkeiten zur Erforschung der Funktion des Nervensystems von Lebewesen, der Modellierung neuer optogenetischer Werkzeuge und deren Einsatz in der medizinischen Praxis eröffnen.

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