News Release

„Karamell-Rezeptor“ identifiziert

Neue Erkenntnisse aus der Welt der chemischen Sinne

Peer-Reviewed Publication

Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie an der TU München

image: The odorant furaneol gives strawberries and other foods a caramel-like aroma. Figure: G. Olias / LSB, The figure shows strawberries an the structural formula of the odorant furaneol. view more 

Credit: G. Olias / LSB

Freising, 12. Oktober 2021 - Wer mag ihn nicht, den Duft von Karamell. Der Geruchsrezeptor, der entscheidend zu diesem Sinneseindruck beiträgt, war jedoch bislang unbekannt. Forschende des Leibniz-Instituts für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen Universität München (LSB) haben nun das Geheimnis um seine Existenz gelüftet und den „Karamell-Rezeptor“ identifiziert. Das neue Wissen trägt dazu bei, die molekulare Codierung von Lebensmittelaromen besser zu verstehen.

Furaneol ist ein natürlicher Geruchsstoff, der zahlreichen Früchten wie Erdbeeren, aber auch Kaffee oder Brot einen karamellartigen Duft verleiht. Ebenso spielt die Substanz seit langem als Aromastoff bei der Lebensmittelproduktion eine wichtige Rolle. Dennoch war bis heute unbekannt, über welche(n) der etwa 400 verschiedenen Geruchsrezeptortypen Menschen diesen Geruchsstoff wahrnehmen.

Geruchsrezeptoren auf dem Prüfstand

Dies ist kein Einzelfall. Denn trotz intensiver Forschung ist bislang nur für etwa 20 Prozent der menschlichen Geruchsrezeptoren bekannt, welches Duftstoffspektrum sie erkennen. Um zur Aufklärung der Erkennungsspektren beizutragen, nutzt das Team um Dietmar Krautwurst vom LSB eine Sammlung aller menschlichen Geruchsrezeptorgene und ihrer häufigsten genetischen Varianten, um ihre Funktion mittels eines Testzellsystems zu entschlüsseln.

„Das von uns entwickelte Testsystem ist weltweit einzigartig. Wir haben die Testzellen genetisch so verändert, dass sie wie kleine Biosensoren für Geruchsstoffe fungieren. Dabei legen wir genau fest, welchen Geruchsrezeptortyp sie auf ihrer Zelloberfläche präsentieren. Auf diese Weise können wir gezielt untersuchen, welcher Rezeptor wie stark auf welchen Geruchsstoff reagiert“, erklärt Dietmar Krautwurst. Im Rahmen der vorliegenden Studie überprüften die Forschenden insgesamt 391 menschliche Geruchsrezeptortypen sowie 225 ihrer häufigsten Varianten.  

Nur zwei Geruchsstoffe für einen Rezeptor

„Wie unsere Ergebnisse zeigen, aktivierte Furaneol lediglich den Geruchsrezeptor OR5M3. Dabei reichen bereits ein tausendstel Gramm des Geruchsstoffs pro Liter aus, um ein Signal zu erzeugen“, sagt Erstautorin der Studie Franziska Haag. Darüber hinaus untersuchte das Team, ob der Rezeptor auch noch auf andere Geruchsstoffe reagiert. Hierzu überprüfte es weitere 186 Substanzen, die als sogenannte Schlüsselgeruchsstoffe maßgeblich das Aroma von Lebensmitteln prägen. Von diesen war jedoch nur Homofuraneol in der Lage, den Rezeptor signifikant zu aktivieren.

Dieser Geruchsstoff ist strukturell eng mit Furaneol verwandt. Wie frühere Untersuchungen des LSB zeigen, verleiht er Früchten wie Durian ein karamellartiges Aroma. “Wir gehen davon aus, dass der von uns identifizierte Rezeptor OR5M3 ein sehr spezifisches Erkennungsspektrum für Lebensmittelinhaltsstoffe besitzt, die karamellartig riechen. Dieses Wissen könnte man sich in Zukunft zu Nutze machen, um neue Biotechnologien zu entwickeln, mit denen sich die sensorische Qualität entsprechender Lebensmittel entlang der gesamten Wertschöpfungskette schnell und einfach überprüfen lässt“, sagt Dietmar Krautwurst. Es sei zwar noch ein weiter Weg, das komplexe Zusammenspiel der ca. 230 lebensmittelrelevanten Schlüsselgeruchsstoffe und der menschlichen Geruchsrezeptoren zu verstehen, ein Anfang sei aber gemacht, so der Molekularbiologe weiter.

Veronika Somoza, Direktorin des Leibniz-Instituts ergänzt: „Auch zukünftig wollen wir am Institut unsere umfangreiche Geruchsstoff- und Rezeptorsammlungen nutzen, um dazu beizutragen, die molekularen Grundlagen der menschlichen Geruchswahrnehmung aufzuklären. Denn diese beeinflusst unsere Nahrungsauswahl maßgeblich und damit unsere Gesundheit.“

Publikation: Haag F, Hoffmann S, Krautwurst D (2021) J Agric Food Chem, DOI: 10.1021/acs.jafc.1c03314. Key food furanones furaneol and sotolone specifically activate distinct odorant receptors https://pubs.acs.org/doi/10.1021/acs.jafc.1c03314

Mehr Informationen:

Auch wenn über 10.000 flüchtige Substanzen in Lebensmitteln enthalten sind, so reichen dennoch nur etwa 230 Schlüsselgeruchsstoffe aus, um deren fast unbegrenzte Aromenvielfalt zu prägen. Zu diesem Ergebnis kam ein Wissenschaftlerteam der Deutschen Forschungsanstalt für Lebensmittelchemie (DFA) und der Technischen Universität München (TUM) im Rahmen einer im Jahr 2014 publizierten Meta-Analyse, zu der auch Dietmar Krautwurst maßgeblich beigetragen hat.

Quellen:
Geruchscode von Lebensmitteln entschlüsselt: 
https://www.ernaehrungs-umschau.de/news/07-07-2014-geruchscode-von-lebensmitteln-entschluesselt/

Originalpublikation: Dunkel A, Steinhaus M, Kotthoff M, Nowak B, Krautwurst D, Schieberle P, Hofmann T (2014) Genuine Geruchssignaturen der Natur - Perspektiven aus der Lebensmittelchemie für die künftige Biotechnologie. Angewandte Chemie DOI: 10.1002/ange.201309508 https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/ange.201309508

Kontakt:

Expertenkontakte am LSB:
PD Dr. Dietmar Krautwurst
Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie
an der Technischen Universität München (LSB)
Lise-Meitner-Str. 34
85354 Freising
Tel.: +49 8161 71-2634
E-Mail: d.krautwurst.leibniz-lsb(at)tum.de

Dr. Franziska Haag
Tel.: +49 8161 71-2716
E-Mail: f.haag.leibniz-lsb(at)tum.de

Direktorin des LSB:
Prof. Dr. Veronika Somoza
E-Mail: v.somoza.leibniz-lsb(at)tum.de

Presseverantwortlich für das LSB:
Dr. Gisela Olias
Wissenstransfer, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Tel.: +49 8161 71-2980
E-Mail: g.olias.leibniz-lsb(at)tum.de
www.leibniz-lsb.de

Informationen zum Institut:

Das Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen Universität München besitzt ein einzigartiges Forschungsprofil an der Schnittstelle zwischen Lebensmittelchemie & Biologie, Chemosensoren & Technologie sowie Bioinformatik & Maschinelles Lernen. Weit über die bisherige Kerndisziplin der klassischen Lebensmittelchemie hinausgewachsen, leitet das Institut die Entwicklung einer Systembiologie der Lebensmittel ein.

Primäres Forschungsziel ist es, neue Ansätze für die nachhaltige Produktion ausreichender Mengen an Lebensmitteln zu entwickeln, deren Inhaltsstoff- und Funktionsprofile an den gesundheitlichen und nutritiven Bedürfnissen, aber auch den Präferenzen der Verbraucherinnen und Verbraucher ausgerichtet sind. Hierzu erforscht es die komplexen Netzwerke der sensorisch relevanten Inhaltsstoffe entlang der gesamten Lebensmittelproduktionskette mit dem Fokus, deren physiologische Wirkungen systemisch verständlich und langfristig vorhersagbar zu machen.

Das Leibniz-LSB@TUM ist ein Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft, die 96 selbständige Forschungseinrichtungen verbindet. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Forschung, auch in den übergreifenden Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem mit den Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Einrichtungen pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen - u.a. in Form der Leibniz-WissenschaftsCampi, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 20.000 Personen, darunter 10.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei mehr als 1,9 Milliarden Euro.

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