News Release

Wie persönliche Gemeinsamkeiten politische Annäherung fördern

Studie zeigt, dass gegenläufige Ansichten nicht zwangsläufig zu Polarisierung führen müssen

Peer-Reviewed Publication

Heidelberg University

Von Natur aus fühlen wir uns Menschen verbunden, die uns ähnlich sind, die zum Beispiel unsere Interessen teilen oder an ähnlichen Aktivitäten teilnehmen. Dieses natürliche Gefühl der Verbundenheit kann genutzt werden, um politische Differenzen abzubauen und die Konsensbildung bei konfliktbeladenen politischen Themen zu fördern. Das hat ein internationales Forschungsteam unter Leitung von Dr. Stefano Balietti herausgefunden. Der Sozialwissenschaftler von der Universität Heidelberg erforscht mit computergestützten Methoden menschliches Gruppenverhalten. In einer Online-Studie mit Teilnehmern aus den USA untersuchten die Wissenschaftler, unter welchen Umständen Menschen die eigene Haltung zu einem bestimmten Thema ändern. Danach helfen Gemeinsamkeiten dabei, sich auch bei stark trennenden politischen Fragestellungen und trotz ausgeprägter persönlicher Überzeugungen aufeinander zuzubewegen.

„Die Wissenschaft geht schon länger davon aus, dass der informelle, respektvolle Austausch zwischen Menschen mit unterschiedlichen politischen Ansichten dazu beiträgt, das Vertrauen in die Demokratie zu stärken und gesellschaftlicher Spaltung vorzubeugen. Das trifft insbesondere auf Diskussionen zwischen Personen zu, die befreundet sind und einem ähnlichen sozialen Umfeld entstammen. Umgekehrt gilt: Werden Menschen unvorbereitet mit den politischen Ansichten Fremder konfrontiert, wie es insbesondere in den sozialen Medien geschieht, verlaufen die daraus resultierenden Diskussionen oft negativ“, erläutert Dr. Balietti, der am Alfred-Weber-Institut für Wirtschaftswissenschaften der Universität Heidelberg forscht und Fellow am Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung (MZES) ist. Mit ihrer Studie sind Dr. Balietti und seine Kollegen der Frage nachgegangen, ob Menschen aufgrund von persönlichen Gemeinsamkeiten ihre Haltung zu polarisierenden politischen Fragestellungen ändern, selbst wenn sie sich nicht kennen.

Die Forscher entwarfen dafür ein Online-Experiment zum Fokusthema Ungleichheit und Umverteilung von Vermögen. In der ersten Phase wurden die Teilnehmer zunächst zu ihren persönlichen Merkmalen, ihrer politischen Neigung sowie zum Thema des Experiments befragt. Anschließend verfassten sie einen kurzen, argumentativen Aufsatz, um „einen Freund oder eine Freundin“ von ihrer Haltung zu Ungleichheit und Umverteilung zu überzeugen. Eine zweite Phase wurde mit einer neuen Gruppe von Teilnehmern rund sechs Monate später durchgeführt. Mithilfe eines Algorithmus wurden sie anhand von zufälligen Übereinstimmungen bei Alter, Geschlecht, Interessen oder Eigenheiten sowie ihrer Haltung zum Fokusthema jeweils einem Partner aus der ersten Kohorte des Experiments zugewiesen. Sie erhielten ein computergeneriertes Social-Media-Profil ihres Partners, aus dem insbesondere die persönlichen Gemeinsamkeiten hervorgingen, um anschließend den von ihm geschriebenen Aufsatz zu lesen. Im letzten Schritt fragten die Wissenschaftler erneut die Ansichten beider Partner zum Fokusthema ab und befragten sie nach ihrer Verbundenheit zueinander.

„Überraschend war, dass sowohl Teilnehmer mit starken Überzeugungen als auch solche mit wenig starken Überzeugungen ihre Meinung zum Fokusthema an die ihres Partners anglichen – und zwar unabhängig von ihrer politischen Neigung. Das führte dazu, dass die Polarisierung ab und die Unterstützung für eine Politik der Umverteilung insgesamt zunahm“, berichtet Dr. Balietti. Fühlten sich zwei Partner einander aufgrund gemeinsamer persönlicher Merkmale verbunden, stieg die Wahrscheinlichkeit um 86 Prozent, dass sie die Ansichten ihres Gegenübers annahmen. Langfristig wollen die Forscherinnen und Forscher herausfinden, ob dieser auf zufälligen Ähnlichkeiten beruhende Mechanismus auch eingesetzt werden kann, um Social-Media-Plattformen so zu gestalten, dass sie Hass und Desinformation entgegenwirken und einen respektvollen Meinungsaustausch mit anschließender Konsensbildung fördern.

Die Studie mit Beteiligung von US-amerikanischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der University of California in Santa Cruz, Microsoft Research in New York und der University of Pennsylvania wurde in der Fachzeitschrift „PNAS“ veröffentlicht.


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