News Release

Neue Rollen der Neuromodulation bei der Behandlung therapieresistenter Zwangsstörungen

Europäisches Forschungsteam präsentiert umfassende Übersicht in Brain Medicine zu tDCS, rTMS und DBS bei Zwangsstörungen

Peer-Reviewed Publication

Genomic Press

image: 

Neuromodulation approaches for treatment resistant obsessive-compulsive disorder (OCD). This figure outlines a proposed sequential algorithm for neuromodulatory interventions in treatment-resistant obsessive-compulsive disorder. Rather than being organized strictly by evidence level, this framework prioritizes a gradient of clinical feasibility and invasiveness, moving from the least to the most invasive approches.

view more 

Credit: Carolina Leitão Viegas

Lausanne, Schweiz – 28. Oktober 2025. In einem heute in Brain Medicine veröffentlichten Artikel präsentiert ein europäisches Forschungsteam eine fokussierte Übersicht über aufkommende Neuromodulationstechniken bei therapieresistenter Zwangsstörung (OCD). Der Artikel „Neuromodulationstechniken bei Zwangsstörungen: Aktueller Stand der Wissenschaft" untersucht, wie transkranielle Gleichstromstimulation (tDCS), repetitive transkranielle Magnetstimulation (rTMS) und tiefe Hirnstimulation (DBS) klinische Ansätze für Patienten verändern, die nicht auf traditionelle Therapie oder Medikation ansprechen. Die Hauptautoren Dr. Kevin Swierkosz-Lenart und Dr. Carolina Viegas vom Universitätsspital Lausanne beschreiben in Zusammenarbeit mit Prof. Luc Mallet von der Universität Paris-Est Créteil, wie jeder Ansatz auf dysfunktionale Gehirnnetzwerke abzielt und wie Personalisierung, Bildgebung und die Entdeckung von Biomarkern die nächste Generation psychiatrischer Behandlungen gestalten könnten.

Neukalibrierung der Schaltkreise des Zwangs

OCD ist eine chronische neuropsychiatrische Störung, die etwa zwei Prozent der Bevölkerung betrifft und häufig früh im Leben beginnt. Viele Patienten erleben aufdringliche Gedanken und repetitive Handlungen, die erhebliche Belastung und Beeinträchtigung verursachen. Obwohl Serotonin-Wiederaufnahmehemmer und kognitive Verhaltenstherapie weiterhin den Versorgungsstandard darstellen, zeigen bis zu 60 Prozent der Patienten unvollständiges oder schlechtes Ansprechen.

Diese anhaltende Herausforderung hat Kliniker und Neurowissenschaftler dazu veranlasst, die elektrischen Systeme des Gehirns direkt zu untersuchen. Neuromodulationstechniken zielen darauf ab, abnorme Aktivität in dem miteinander verbundenen Netzwerk zu normalisieren, das Entscheidungsfindung, Emotionsregulation und dem Gefühl innerer Kontrolle zugrunde liegt. „Wir erleben eine Konvergenz von klinischer Psychiatrie und Systemsneurowissenschaft", sagt Dr. Viegas. „Neuromodulation erlaubt es uns, mit den Schaltkreisen zu interagieren, die Obsessionen und Zwänge aufrechterhalten".

Die Übersicht zeichnet diese Transformation von frühen experimentellen Versuchen zu einem robusten Feld nach, das von Bildgebung, Elektrophysiologie und computergestützter Modellierung geleitet wird. Die Autoren betonen, dass diese Werkzeuge bestehende Therapien nicht ersetzen, sondern ergänzen und ein Kontinuum von nichtinvasiver Stimulation bis hin zu gezielten chirurgischen Eingriffen schaffen.

Transkranielle Gleichstromstimulation: sanfter Strom, sich entwickelnde Evidenz

Transkranielle Gleichstromstimulation liefert elektrischen Strom niedriger Intensität durch Skalpelektroden und verändert die Erregbarkeit kortikaler Neuronen. Durch die Verschiebung von Ruhemembranpotentialen kann sie die Dynamik kortikaler und subkortikaler Schaltkreise, die bei OCD eine Rolle spielen, subtil beeinflussen.

In jüngsten Studien haben Forscher untersucht, ob die Anwendung anodaler oder kathodaler Ströme über Regionen wie das prä-supplementärmotorische Areal (pre-SMA) oder den orbitofrontalen Kortex (OFC) die Hyperaktivität in den kortiko-striato-thalamo-kortikalen Schleifen reduzieren kann, die mit zwanghaftem Verhalten assoziiert sind. Frühe Studien haben gemischte Ergebnisse erbracht. Einige berichten von moderaten Verbesserungen, während andere kaum Unterschiede zur Scheinstimulation zeigen. Die Autoren führen diese Inkonsistenzen auf Variationen bei Elektrodenplatzierung, Stromintensität und Sitzungsdauer zwischen Studien zurück.

„tDCS bleibt attraktiv, weil sie zugänglich und sicher ist", sagt Dr. Swierkosz-Lenart. „Aber wir brauchen rigorose Standardisierung und größere Studien, bevor sie Teil der klinischen Standardversorgung wird". Laut der Übersicht wird der zukünftige Fortschritt von hochwertigen randomisierten Studien abhängen, die elektrische Feldmodellierung und objektive Biomarker wie bildgebende Messungen der Konnektivität oder elektrophysiologische Veränderungen verwenden.

Die Arbeit weist darauf hin, dass tDCS gut vertragen wird, wobei Nebenwirkungen typischerweise auf vorübergehendes Kribbeln oder leichte Hautrötung beschränkt sind. Ihre Portabilität und Kosteneffizienz machen sie zu einer attraktiven Kandidatin für häusliche Interventionen unter professioneller Aufsicht, sobald validierte Protokolle etabliert sind.

Repetitive transkranielle Magnetstimulation: nichtinvasive Modulation mit wachsendem klinischen Vertrauen

Repetitive transkranielle Magnetstimulation (rTMS) nutzt sich schnell ändernde Magnetfelder, um elektrische Ströme in spezifischen kortikalen Regionen zu induzieren. Abhängig von Frequenz und Ort kann die Stimulation neuronale Aktivität entweder erhöhen oder verringern. Im Jahr 2018 genehmigte die US-amerikanische Food and Drug Administration tiefe rTMS für therapieresistente OCD, die auf den medialen präfrontalen Kortex (mPFC) und den anterioren cingulären Kortex (ACC) abzielt.

Seither haben eine wachsende Anzahl kontrollierter Studien und Metaanalysen bestätigt, dass rTMS signifikante Symptomverbesserungen bewirken kann, insbesondere wenn sie auf den dorsolateralen präfrontalen Kortex (DLPFC) oder das supplementärmotorische Areal (SMA) angewendet wird. Diese Zielregionen gehören zum kognitiven Kontrollnetzwerk des Gehirns, das eine zentrale Rolle bei der Regulierung aufdringlicher Gedanken und Verhaltenshemmung spielt.

„rTMS stellt die erste nichtinvasive Neuromodulationstechnik dar, die eine regulatorische Zulassung für OCD erhalten hat", sagt Dr. Viegas. „Sie hat klinische Vorteile demonstriert, aber wir lernen noch, wie wir die Parameter auf den individuellen Patienten abstimmen können".

Die Übersicht hebt die Variabilität zwischen Stimulationsprotokollen hervor. Einige Studien legen nahe, dass niedrigfrequente inhibitorische Stimulation über hyperaktive Regionen wie dem SMA die besten Ergebnisse erzielt, während andere auf hochfrequente exzitatorische Protokolle über hypoaktive präfrontale Areale verweisen. Diese Vielfalt unterstreicht die Notwendigkeit personalisierter Zielansprache, möglicherweise geleitet durch bildgebende Daten und neurophysiologische Marker.

Nebenwirkungen sind in der Regel mild und vorübergehend, einschließlich Unwohlsein der Kopfhaut, Kribbeln oder Kopfschmerzen. Das Anfallsrisiko ist äußerst gering, wenn Sicherheitsrichtlinien befolgt werden. Die Autoren diskutieren auch Theta-Burst-Stimulation (TBS) und beschleunigte rTMS-Protokolle, die darauf abzielen, durch verdichtete Behandlungssitzungen schnellere klinische Effekte zu erzielen. Obwohl vielversprechend, erfordern diese Ansätze weitere Validierung in OCD-Populationen.

Tiefe Hirnstimulation: Präzisionstherapie für die resistentesten Fälle

Für Patienten, deren OCD schwer bleibt und refraktär gegenüber allen anderen Therapien ist, hat sich die tiefe Hirnstimulation zu einer etablierten und klinisch validierten Behandlungsoption entwickelt. Das Verfahren umfasst die Implantation dünner Elektroden in spezifische tiefe Hirnregionen, die dann mit einem implantierten Pulsgenerator verbunden werden, der kontinuierlich elektrische Stimulation abgibt.

DBS hat in mehreren randomisierten kontrollierten Studien anhaltende Wirksamkeit gezeigt. Laut der Übersicht in Brain Medicine umfassen die effektivsten Zielregionen den Nucleus des Bettes der Stria terminalis (BNST), die ventrale Kapsel und das ventrale Striatum (VC/VS), den Nucleus accumbens (NAc) und den Nucleus subthalamicus (STN). In mehreren Studien hat die Stimulation in diesen Bereichen zu Symptomreduktionen von 35 bis 60 Prozent auf der Y-BOCS-Skala geführt, mit Langzeit-Ansprechraten von bis zu zwei Dritteln der Patienten.

„DBS bietet Hoffnung für Personen, die jede andere Form der Therapie ausgeschöpft haben", sagt Dr. Swierkosz-Lenart.

Statt sich auf eine einzelne anatomische Lokalisation zu konzentrieren, interessieren sich Forscher nun für Diffusionstraktographie und konnektomische Kartierung, um die weißen Substanzpfade zu identifizieren, die am meisten mit klinischer Verbesserung assoziiert sind. Die Stimulation entlang dieser optimierten Faserbündel kann bessere Ergebnisse erzielen, selbst wenn Elektrodenplatzierungen zwischen Patienten leicht variieren.

Die Übersicht beschreibt auch das aufkommende Feld der geschlossenen DBS, bei der implantierte Systeme neuronale Signale in Echtzeit aufzeichnen und die Stimulation automatisch als Antwort auf Gehirnaktivität anpassen. Dieser Ansatz könnte Nebenwirkungen reduzieren und die Präzision verbessern. Frühe Evidenz legt nahe, dass spezifische Muster in niederfrequenten Oszillationen innerhalb OCD-relevanter Schaltkreise als Biomarker für Symptomzustände dienen können, was potenziell eine dynamische, adaptive Therapie ermöglicht.

DBS ist im Allgemeinen sicher, wenn sie in spezialisierten Zentren durchgeführt wird. Die häufigsten Komplikationen sind geringfügig und reversibel, wie vorübergehende Stimmungsschwankungen oder lokales Unwohlsein. Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse wie Blutungen oder Infektionen sind selten. Die Autoren warnen, dass umfassende Nachsorge und multidisziplinäres Management wesentlich bleiben, insbesondere da adaptive Technologien sich weiterentwickeln.

Personalisierung, Ethik und das nächste Jahrzehnt

Dieser begutachtete Artikel kommt zu dem Schluss, dass Neuromodulation eine der aufregendsten Grenzen in der Psychiatrie darstellt, aber auch eine der komplexesten. Ein zentrales Thema über alle drei Modalitäten hinweg ist die Personalisierung: die Idee, dass Stimulationsparameter, Zielregionen und Protokolle angepasst werden sollten, um der einzigartigen Gehirnanatomie und dem Symptomprofil jedes Patienten zu entsprechen.

„In Zukunft müssen wir Bildgebung, Elektrophysiologie und computergestützte Modellierung in die tägliche klinische Entscheidungsfindung integrieren", sagt Dr. Viegas. „So werden wir echte Präzisionspsychiatrie erreichen".

Die Autoren fordern harmonisierte internationale Standards, um studienübergreifende Vergleiche zu ermöglichen und die Reproduzierbarkeit zu verbessern. Sie heben auch die Bedeutung hervor, ethische Überlegungen im Zusammenhang mit invasiven Eingriffen, Datenschutz und informierter Zustimmung anzugehen. Zugang und Gerechtigkeit bleiben zentrale Anliegen, da hohe Kosten und spezialisierte Infrastruktur die Verfügbarkeit außerhalb großer akademischer Zentren einschränken können.

Trotz dieser Herausforderungen ist der Ton der Übersicht vorsichtig optimistisch. Mit zunehmendem Einsatz bildgebungsbasierter Zielansprache und adaptiver Stimulation steht das Feld kurz davor, in eine Phase individualisierter, datengetriebener Therapie einzutreten. „Wir bewegen uns", schreiben die Autoren, „auf ein Modell der Psychiatrie zu, das dem Gehirn direkt zuhört und die Behandlung anpasst, wenn sich die neuronale Aktivität verändert".

Der Übersichtsartikel in Brain Medicine mit dem Titel „Neuromodulationstechniken bei Zwangsstörungen: Aktueller Stand der Wissenschaft" ist frei zugänglich über Open Access am 28. Oktober 2025 in Brain Medicine unter folgendem Hyperlink verfügbar: https://doi.org/10.61373/bm025y.0125.

Über Brain Medicine: Brain Medicine (ISSN: 2997-2639, online und 2997-2647, gedruckt) ist eine hochwertige medizinische Forschungszeitschrift, die von Genomic Press, New York, herausgegeben wird. Brain Medicine ist ein neues Zuhause für den interdisziplinären Weg von Innovation in der grundlegenden Neurowissenschaft zu translationalen Initiativen in der Hirnmedizin. Der Umfang der Zeitschrift umfasst die zugrunde liegende Wissenschaft, Ursachen, Ergebnisse, Behandlungen und die gesellschaftlichen Auswirkungen von Gehirnerkrankungen über alle klinischen Disziplinen und ihre Schnittstellen hinweg.

Besuchen Sie die Genomic Press Virtual Library: https://issues.genomicpress.com/bookcase/gtvov/

Unsere vollständige Website finden Sie unter: https://genomicpress.com/


Disclaimer: AAAS and EurekAlert! are not responsible for the accuracy of news releases posted to EurekAlert! by contributing institutions or for the use of any information through the EurekAlert system.